Gastroenterologie up2date 2011; 7(1): 13-15
DOI: 10.1055/s-0030-1256326
Klinisch-pathologische Konferenz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Autoimmune Pankreatitis

Matthias  M.  Dollinger
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Publication Date:
21 March 2011 (online)

Erster Kommentar

Definition

Generell kann die autoimmune Pankreatitis (AIP) als eine mit 5 – 6 % seltene, distinkte Form der chronischen Pankreatitis beschrieben werden, die histologisch durch eine periduktale lymphoplasmazelluläre Entzündungsreaktion mit begleitender Fibrosierung charakterisiert wird [1]. Klinisch treten akute Schübe weniger häufig als bei Pankreatitiden äthylischer oder hereditärer Genese auf, typisch ist dagegen die Präsentation als pankreatische Raumforderung, assoziiert mit peripankreatischer Lymphadenopathie und ggf. Cholestase, die leicht zur Fehldiagnose eines Pankreaskarzinoms führt.

Die zuverlässigsten Aussagen über die Häufigkeit der Erkrankung stützen sich daher auch auf Resektate nach Whipple-Operation, bei denen sich in 3 – 5 % eine AIP nachweisen lässt [2]. Obwohl die Entität erstmals in Europa beschrieben wurde [3], galt sie aufgrund der bahnbrechenden japanischen Daten [4] für lange Zeit als ein asiatisches Phänomen. In den letzten Jahren häuften sich jedoch die Berichte auch aus Europa und Nordamerika mit der überraschenden Erkenntnis der Existenz zweier Subtypen, die offiziell 2010 in einer Konsensuskonferenz als AIP Typ 1 und 2 klassifiziert wurden [5].

Klassifikation

LPSP. Die lymphoplasmazelluläre sklerosierende Pankreatitis (LPSP oder Typ 1) entspricht im Wesentlichen der ursprünglich in Japan beschriebenen Erkrankung und ist durch ein IgG4-positives Plasmazellinfiltrat ohne primäre Zerstörung der Pankreasgänge charakterisiert [5]. Im asiatischen Raum wird dieser Subtyp fast ausschließlich beobachtet und betrifft Männer doppelt so häufig wie Frauen mit einem Prädilektionsalter von ca. 60 Jahren. Serologisch finden sich neben der Hypergammaglobulinämie mit erhöhtem IgG4 andere Autoantikörper wie antinukleäre Faktoren oder der Rheumafaktor. Da die AIP Typ 1 in bis zu 90 % der Fälle mit IgG4-positiven pathologischen Veränderungen in anderen Organen einhergeht (Tab. [1]), wird sie seit Kurzem als Hauptmanifestation einer systemischen IgG4-assoziierten fibrosierenden Erkrankung angesehen [6] [7]. Nahezu jedes Organ kann betroffen sein, am häufigsten sind es jedoch Gallengänge (Assoziation mit AIP bis 90 %), Lymphknoten (Assoziation mit AIP bis 80 %), Speichel- und Tränendrüsen, Orbitae, Retroperitoneum und Nieren, die jedoch auch metachron befallen werden können.

Tabelle 1  Mögliche Manifestationen einer IgG4-assoziierten fibrosierenden Erkrankung (Quelle: 8). Organ Erkrankung Pankreas AIP Typ 1 Gallengänge sklerosierende Cholangitis Leber IgG4-positive autoimmune Hepatitis Lunge interstitielle Pneumonie/pleurale Pseudotumoren Speichel- und Tränendrüsen Mikulicz-Krankheit Orbitae inflammatorische Pseudotumoren Schilddrüse Riedel-Thyreoiditis Aorta (sklerosierende) Aortitis Lymphknoten lokale oder disseminierte Lymphadenopathie Retroperitoneum Morbus Ormond Niere tubulointerstitielle Nephritis ZNS Pachymeningitis

IDCP. Das spezielle morphologische Merkmal der idiopathischen gangzentrierten Pankreatitis (IDCP oder Typ 2) sind die granulozytär-epithelialen Läsionen (GEL) ohne IgG4-positive Plasmazellen, jedoch assoziiert mit einer frühen inflammatorischen Destruktion der Pankreasgänge [5]. Die Hälfte aller AIP-Patienten in Europa und Nordamerika leidet an dieser Form der Erkrankung, im asiatischen Raum scheint sie jedoch kaum vorzukommen. Das Prädilektionsalter liegt mit 50 Jahren eine Dekade niedriger als bei der AIP Typ 1, Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig betroffen. Systemische Manifestationen einschließlich der Lymphadenopathie werden bei der AIP Typ 2 nicht beobachtet, in 15 – 30 % der Fälle findet sich jedoch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung [9] [10].

Diagnostisches Dilemma

Diagnosekriterien. Die klinische Herausforderung bei der Diagnose der AIP liegt in der Abgrenzung zum Pankreaskarzinom einerseits und zu anderen Formen der chronischen Pankreatitis andererseits. Spezifische Kriterien, die für das Vorliegen einer AIP sprechen, wurden sowohl im asiatischen Raum [11] als auch von der Mayo Clinic in den USA [12] erarbeitet. Diese reflektieren jedoch nicht nur die jeweilige Verteilung der AIP-Subtypen in den beiden geografischen Regionen, sondern auch den häufigen Einsatz der ERCP als diagnostisches Mittel im asiatischen Raum. Als einzig sicheres Kriterium gilt bisher der histologische Nachweis ggf. verbunden mit einem Therapieerfolg nach Kortikosteroidgabe. Derzeitige extrapankreatische Kriterien sind nur hilfreich für die Diagnose der AIP Typ 1 (Tab. [2]).

Bildgebende Verfahren – ERCP. Die Detektion intrapankreatischer Veränderungen stützt sich auf CT bzw. MRCP, ggf. ergänzt durch Sonografie und/oder Endosonografie. Aufgrund ihrer hohen Sensitivität (71 %) und Spezifität (83 %) rückt die ERCP zunehmend in den Fokus des diagnostischen Vorgehens, erfordert jedoch eine ausreichende Lernkurve, insbesondere im europäisch-amerikanischen Raum [13] [14]. Letztendlich bleibt aber die fokale AIP Typ 2 ein diagnostisches Dilemma, das auch durch eine (endosonografische) Histologiegewinnung aufgrund der möglichen Fehlpunktion derzeit nicht zu lösen ist. Hier werden nur zusätzliche Marker, wie z. B. spezifische Autoantikörper gegen pankreatische Antigene, neue diagnostische Ansätze schaffen [15].

Tabelle 2  Serologische und bildgebende Kriterien für das Vorliegen einer AIP. Extrapankreatisch Intrapankreatisch biliäre Strikturenmediastinale LymphadenopathieEntzündung der Speichel- und Tränendrüsenretroperitoneale FibroseSchwellung/Entzündung der Papilla vaterierhöhtes IgG oder IgG4unspezifische Autoantikörper (z. B. ANA, RF)spezifische Autoantikörper (z. B. Trypsinogen)? diffuse oder fokale Pankreasschwellunghomogene Kontrastmittelaufnahmeperipankreatisches Halo-ZeichenPankreasgang durchzieht Raumforderunglangstreckige Pankreasgangstrikturen (> ⅓)multiple Pankreasgangstrikturenfehlende prästenotische PankreasgangdilatationSeitenäste ausgehend von Pankreasgangstriktur

Therapeutisches Dilemma

Kortikosteroidtherapie. Trotz Spontanremissionsraten von bis zu 30 % wird empfohlen, die AIP mittels Kortikosteroiden zu behandeln, da sich hierdurch die Rezidivrate senken lässt [16]. Sowohl pankreatische als auch extrapankreatische Manifestationen reagieren prompt auf die Steroidapplikation, als diagnostisches Mittel ist der Therapieerfolg aber nur bedingt verwendbar, da auch Lymphome oder gelegentlich sogar Adenokarzinome vorübergehend eine Größenregredienz zeigen können. Bei fehlenden randomisierten Studien beginnen übliche Therapieregime mit Prednisolon-Dosen zwischen 30 und 60 mg/d für 2 – 4 Wochen, gefolgt von zügigem Ausschleichen der Therapie [2].

Erhaltungstherapie. Aufgrund von Rezidivraten bis zu 90 % innerhalb der ersten 3 Jahre wird in Japan mittlerweile jedoch eine niedrig dosierte Erhaltungstherapie (Prednisolon 2,5 – 5 mg/d) empfohlen [17]. Dieses Vorgehen scheint gerechtfertigt in Anbetracht neuerer Studien, die eine höhere Rezidivrate für die AIP Typ 1 als für die AIP Typ 2 zeigen, häufig auch mit extrapankreatischen Läsionen [10] [16]. Das therapeutische Dilemma liegt demnach in der Frage, welcher Patient eine potenziell nebenwirkungsreiche Erhaltungstherapie erhalten sollte. Mögliche Prädiktoren für häufige Rezidive sind eine diffuse Pankreasschwellung, biliäre Strikturen sowie eine Beteiligung der Papilla vateri [18] [19]. Dagegen ist der Verlauf der IgG4-Titer als prädiktiver Faktor noch umstritten.

Therapie bei Rezidiven. Therapeutisch eingesetzt wurden bei rezidivierender AIP bisher Azathioprin und Mycophenolat-Mofetil, in Einzelfällen bei refraktären Verläufen auch Rituximab [20]. Langzeitdaten hierzu oder zur Prognose der AIP, insbesondere bezüglich einer Prädisposition für Pankreaskarzinome, fehlen jedoch noch.

Literatur

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  • 20 Khosroshahi A, Stone J H. Treatment approaches to IgG4-related systemic disease.  Curr Opin Rheumatol. 2011;  23 67-71

Dr. Matthias M. DollingerPhD 

Klinik für Innere Medizin I
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle (Saale)

Email: matthias.dollinger@medizin.uni-halle.de

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