Aktuelle Dermatologie 2010; 36(12): 459
DOI: 10.1055/s-0030-1256043
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Haut im Winter

Skin in WinterC.  Bayerl
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Publication Date:
07 December 2010 (online)

Prof. Dr. Christiane Bayerl

Nicht alles ist eine Allergie. Die Temperaturen sinken unter O °Celsius. Die Gesichtshaut rötet sich und spannt. Was nun? Die typischen Zeichen des Kontaktekzems fehlen, keine Papulovesikel zu sehen, kein Anhalt für eine Rosazea. Ist dann nur der Winter schuld?

Wir unterscheiden üblicherweise 4 Hauttypen, die normale Haut, die trockene Haut, die empfindliche/hypersensitive Haut und die seborrhoische/zu Akne neigende Haut. Zu Recht ist zu erwarten, dass die trockene Haut im Winter besonders leiden wird. Dasselbe gilt aber auch für die empfindliche/hypersensitive Haut. Eine sehr klare Definition für diesen Hautzustand existiert bisher nicht. In der Anamnese sind typisch Juckreiz, Brennen, Stechen und Spannungsgefühl der Gesichtshaut nach Auftragen von Externa oder durch Umwelteinflüsse mit oder ohne objektivierbaren Befund. Eine Befragung erbrachte, dass nach eigenen Einschätzungen 50 % der weiblichen und 40 % der männlichen Bevölkerung ihre Haut als empfindlich und hypersensibel einschätzen. Man findet ethnische Unterschiede in den Angaben zur Kausalität. In Europa werden Kosmetika als Auslöser angeschuldigt, in Amerika der Wind und in Asien die scharfen Gewürze und Temperaturschwankungen. Abzugrenzen ist die Symptomatik von dem allergischen Kontaktekzem oder von der toxisch irritativen Dermatitis.

Versuche einer Definition des Krankheitsbildes wurden unternommen, bei denen zu den obigen Kausalitäten bei Frauen zudem eine Abhängigkeit des Hautempfindens von bestimmten Zyklusphasen postuliert wird. In Konkurrenz zu diesen Erklärungsversuchen existiert eine weitere Klassifikation, die darstellt, dass die empfindliche/hypersensitive Haut ein Symptom einer atopischen Dermatitis, Rosazea, oder Ichthyosis sei, also eine milde Ausprägung einer Hauterkrankung. Sie sei auch anzutreffen nach Traumen wie Sonnenbrand oder nach Kontaktekzemen.

Diese weite Palette der Definitionen zur empfindlichen/hypersensitiven Haut verlangt nach Objektivierung. Dazu verwenden wir üblicherweise Messmethoden. Eingesetzt werden der Stinging-Test nach Kligman (5 – 10%ige Milchsäure nasolabial), die Hautoberflächen-pH-Messung, Messung des TEWL etc. und der Rotweinprovokationtest. Letzterer besagt, dass es nach Rotweingenuss bei empfindlicher/hypersensitiver Haut zu brennenden Missempfindungen an der Gesichtshaut kommt.

Der menschliche Organismus erfährt viele saisonale Veränderungen. Im Winter sinkt unser Spiegel an 25-Hydroxyvitamin D und Parathormon, der Vagotonus steigt, sein Gegenspieler, der Sympathikotonus sinkt, depressive Erkrankungen nehmen zu, die Fingertemperatur sinkt, Menschen mit Neurodermitis erfahren Schübe ihrer Erkrankung und der Pigmentschutz unserer Haut wird reduziert. Die Lipide in der Hornschicht, insbesondere die Ceramide, Cholesterol und Fettsäuren sind bedeutsam für die Ausbildung und die Persistenz eines intakten Hautschutzmantels. Das „Austrocknen” der Haut im Winter erklärt sich durch Störungen in der Zusammensetzung der Lipide, einem Mangel an Ceramiden und einer reduzierten Hydratation in der Hornschicht. Ähnliche Phänomene findet man auch bei der Neurodermitis und der Altershaut. Die Haut wird vermehrt empfindlich gegenüber chemischen oder natürlichen physikalischen Irritanzien wie Kälte und Wind. Unsere Haut ist im Winter starken Schwankungen zwischen Kälte und Wärme, Außenluft und Raumluft, ausgesetzt. Schwitzen in überheizten Räumen in dicker Winterkleidung ist charakterisiert durch einen höheren Salzgehalt des Schweißes im Winter als im Sommer und daher ein zusätzliches Irritanz für die Haut.

Hilfreich sind in dieser Jahreszeit neben den Lipiden die sogenannten Moisturizer bei sehr trockener Haut, die helfen Feuchtigkeit länger in der Haut zu halten (synthetischer Harnstoff, Glycerin). Kälte stellt zudem einen Stressfaktor für die Haut dar, der Entzündungsprozesse fördert. Auch wenn unsere Körperkerntemperatur konstant gehalten wird, sinkt sie in der Peripherie. Die Haut eines jungen Menschen an Händen und Gesicht ist resistenter gegenüber einer Temperaturabsenkung als die eines älteren Menschen. Entsprechend stellt gerade die Pflege der reifen Haut im Winter besondere Anforderungen an ein Präparat und an uns Dermatologen in der Beratung und Behandlung.

Schöne Winterspaziergänge wünscht Ihnen

Ihre

Christiane Bayerl

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie Wiesbaden
HSK, Wilhelm-Fresenius-Klinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: christiane.bayerl@hsk-wiesbaden.de

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