Laryngorhinootologie 2010; 89(12): 754-755
DOI: 10.1055/s-0030-1255048
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine seltene Ursache von Halslymphknoten-Metastasen

A Rare cause for Supraclavicular Lymph Node MetastasesJ. Baumgarth, R. Poser
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Publication Date:
16 August 2010 (online)

Fallbericht

Ein 31-jähriger Patient stellte sich bei uns mit einer nach seinen Angaben seit etwa 10 Tagen bestehenden supraclavikulären Raumforderung vor. Auf Nachfragen gab er nächtliche Schweißausbrüche, subfebrile Temperaturen und einen Gewichtsverlust von ca. 4–4,5 kg in 3 Monaten an.

In der körperlichen Untersuchung zeigte sich links supraclavikulär eine derbe, prall-elastische, druckindolente Raumforderung. Der übrige HNO-Befund war unauffällig.

In der Halssonografie präsentierte sich die Raumforderung als glatt und echogen mit einem Durchmesser von 5,2×2,4×5,72 cm, und wurde als Lymphknoten eingestuft ([Abb. 1]).

Abb. 1 Halssonografie der supraclavikulären Raumforderung. Glatt begrenzt und echogen, Durchmesser 5,2×2,4×5,72 cm.

Im CT-Hals und -Thorax zeigte sich die bereits klinisch und sonografisch beschriebene Struktur als nach infraclavikulär eintauchend ([Abb. 2]). Zusätzlich zeigte sich im CT-Thorax und -Abdomen eine weitere, 10,8×7,5 cm große, paraaortale Geschwulstformation, zusätzliche kleinere intraabdominelle Geschwulstformationen ([Abb. 3]), sowie weitere Metastasen in beiden Lungen und in beiden Leberlappen. Insgesamt wurde dieses Bild als Tumoraussaat eines bis dahin unbekannten Primärtumors bewertet, sodass der Patient nun als CUP-Syndrom behandelt wurde, wobei wir zunächst von einem Lymphom ausgingen.

Abb. 2 CT-Hals/-Thorax: Hier zeigt sich die supraclavikuläre Struktur als nach infraclavikulär eintauchend (mit Kreis markiert).

Abb. 3 CT-Abdomen. 10,8×7,5 cm große, paraaortale abdominelle Lymphknotenmetastasen, die Vena cava inferior, die Leber und die rechte Niere verdrängend (mit Kreis markiert).

Bei der operativen Entfernung des Lymphknotens ließ schon die gallertige Konsistenz des zutage beförderten Tumorinhalts ein Lymphom unwahrscheinlich erscheinen. Diese Vermutung wurde durch das Ergebnis der Schnellschnittuntersuchung, welche das Exzidat als Karzinommetastase einstufte, bestätigt.

Den Durchbruch in der Suche nach dem Tumorursprung brachte schließlich das Ergebnis der histopathologischen Untersuchung. Hier wurde der Lymphknoten als Metastase eines malignen Keimzelltumors vom Typ Dottersack-Tumor (Yolk-Sac-Tumor) eingestuft ([Abb. 4]). Das durch den konsiliarisch hinzugezogenen Urologen angeforderte MRT des Hodens zeigte passend zum histologischen Ergebnis eine Verkleinerung und auffällige Verkalkung des rechten Hodens, welche einem ausgebrannten Tumor entsprechen könnte. Auch ein extragonadaler Hodentumor konnte nicht ausgeschlossen werden. Da die Therapie des Dottersack-Tumors gonadalen und extragonadalen Ursprungs sich prinzipiell nicht unterscheidet, war diese Frage jedoch sekundär und nicht therapierelevant.

Abb. 4 Immunhistochemische Untersuchung des supraclaviculären Lymphknotens auf Alphafetoprotein (AFP). Deutliche AFP-Anreicherung erkennbar (dunkelrote Färbung).

Wir verlegten den Patienten an ein urologisches Zentrum, wo er nach Spermienasservation einer kombinierten Radiochemotherapie mit autologer Knochenmarkstransplantation unterzogen wurde. Nach einem Zyklus Chemotherapie nach dem PEI-Schema mit anschließender Stammzellapharese, 3 Zyklen Hochdosis-Chemotherapie mit Carboplatin und Etoposid, atypischer Leberresektion mit abdomineller Lymphadenektomie und abschließender Residualtumorresektion war der Patient schließlich frei von vitalem Tumorgewebe.

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