Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P137
DOI: 10.1055/s-0030-1253866

Therapie mit rekombinantem Wachstumshormon bei Patientin mit Diabetes mellitus Typ 3 und SGA-Kleinwuchs induziert Dawnphänomen

J Bokelmann 1, N Lindemann 1, D Roessner 1, I Baus 1, FG Riepe 1, PM Holterhus 1
  • 1Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Zentrum für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie, Hormonzentrum Nord, Kiel, Germany

Hintergrund: Die Genese des Dawnphänomens bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 1 wird uneinheitlich diskutiert. Sowohl die abnehmende Wirkung abendlich injizierten Basalinsulins, aber auch steigende Spiegel kontrainsulinerger Hormone wie Wachstumshormon/IGF1 und ACTH/Cortisol in der zweiten Nachthälfte dürften dazu beitragen.

Fragestellung: Wir berichten über eine 4 3/12 Jahre alte Patientin mit neonatalem Diabetes mellitus Typ 3 aufgrund einer Pankreasagenesie unter CSII seit der Neonatalzeit, zusätzlich lagen eine Holoprosenzephalie und Hypoplasie der Adenohypophyse vor. Die Befunde für Mikrodeletionen IPF (Insulin-Promotor-Faktor)-1-Locus, uniparentale Disomie Chromosom 6, ABCC8-/KCNJ11-Gen-Mutation, Gendeletionen oder Duplikationen im Array-CGH (Auflösung 0,7 MB) fielen negativ aus. Aktuell bestand die Indikation zur Therapie mit rekombinantem Wachstumshormon (STH) aufgrund mangelnden Aufholwachstums bei SGA (Small for Gestational Age)-Konstellation. Wir beschreiben die Auswirkungen der abendlichen STH-Injektionen auf das Blutzuckertagesprofil und die notwendigen Basalratenänderungen.

Methodik: Fallbericht, stationäre Einstellung auf rekombinantes Wachstumshormon (23,6 ug/kg/d) mit abendlicher subkutaner Injektion (19:00 Uhr) bei SGA-Indikation und mangelndem Aufholwachstum, 2 stündliche Messungen des Blutzuckers, Auswertung der Blutzuckertagesprofile. Beschreibung notwendiger Basalratenänderungen.

Ergebnisse: Im Alter von 4 3/12 Jahren zeigten sich bei einer Körperhöhe von 93,8cm (<1. Perz., –2,99 SDS) und einer Wachstumsrate von 5,62cm/Jahr (1. Perz., –2,19 SDS) deutlich erniedrigte Spiegel für IGF1 (20ng/ml, <0,1. Perz.) und IGFBP3 (1µg/ml, <0,1. Perz.) Ein hypophysärer STH-Mangel wurde im Arginintest (maximaler Anstieg von STH auf 21,5ng/ml) ausgeschlossen. Vor der ersten STH-Injektion lagen die abendlichen und nächtlichen Blutzuckerwerte zwischen 100 und 180mg/dl. 2 bis 4 Stunden nach erster Injektion von 0,3mg rekombinantem STH s.c. stiegen die Blutzuckerwerte auf bis zu 240mg/dl an. Daher erfolgte mehrfach eine Anpassung der Insulinbasalrate zur Erzielung ausgeglichener Blutzuckerverläufe. Bezogen auf 24 Stunden wurde die Insulinbasalrate um 10% des Ausgangswerts (initial 1,64 IU/24h, bei Entlassung 1,79 IU/24h) angehoben, insbesondere im 12 Stunden Intervall nach Injektion (19.00–7.00 Uhr) zeigte sich ein Anstieg der nächtlichen Basalrate um 18%. Der IGF1-Spiegel unter Wachstumshormontherapie lag im Alter von 4 6/12 Jahren bei 40ng/ml (2. Perz.)

Schlussfolgerungen: Die Injektion von rekombinantem STH führte zu einer Insulinresistenz mit entsprechend erhöhtem Insulinbedarf. Unser Fallbericht unterstützt daher die Bedeutung der Wachstumshormon/IGF1-Achse für die Entstehung des Dawnphänomens.