Klin Padiatr 2010; 222 - P13
DOI: 10.1055/s-0030-1251068

Aktuelle evidenzbasierte Therapie der arteriellen Hypertonie (HTN) im Kindes- und Jugendalter

R Eyermann 1
  • 1Kinder- und Jugendmedizin, Kinderkardiologie, Sportmedizin, München

Problem: Heute ist zunehmend gesichert, dass hoher Blutdruck bereits bei Kindern u. Jugendlichen kardiovaskuläre Schäden bewirkt: So korreliert hoher systolischer Blutdruck mit Herzvergrößerung, Verkalkung der Koronararterien u. Zunahme der Intima-Media-Dicke. Potenzierend auf das juvenile kardiovaskuläre Risiko wirken weitere CVRF, v.a. Adipositas, Dyslipidämie, Bewegungsmangel u. Rauchen sowie Glukosetoleranzstörungen bis zu DM2.

Ergebnis: Die Häufigkeit der juvenilen HTN ist heute gesteigert auf 4–5%. Indikation zur Therapie besteht, wenn der systolische u./o. der diastolische Blutdruck dauerhaft (bei >3 Messungen an verschiedenen Tagen) >95. Perzentile für Körpergröße u. Alter liegt. Primär sollten nicht-medikamentöse Maßnahmen erfolgen: Lebensstiländerung mit Gewichtsreduktion durch Nahrungsmodifikation mit Reduktion von NaCl- u. Fettaufnahme u. Steigerung der Frucht- u. Gemüsezufuhr sowie Erhöhung von körperlicher Aktivität u. Reduktion des TV- u. PC-Konsums. Rauchen ist aufzugeben. Körperliche Aktivität sollte v.a. durch zusätzlichen Ausdauersport (Radfahren, Schwimmen, Jogging, etc.) mindestens 30, besser 60, min. oder länger/Tag liegen – erzielter Kalorienverbrauch nicht <1500–2000 kcal/Woche. Bei Nichtausreichen sind blutdrucksenkende Medikamente indiziert, die bis vor Kurzem nicht für Kinder u. Jugendliche zugelassen waren. Durch die neue EU-Kinderarzneimittelverordnung stimuliert, werden Antihypertensiva in der Pädiatrie mit modifizierten Studienprotokollen geprüft. Antihypertensiv wird heute meist mit langwirksamen ACE-Hemmern begonnen (aktuell Enalapril ab 6 Jahre zugelassen). AT-II-Rezeptorblocker werden derzeit in Studien bei Kindern geprüft. ß-Blocker – bis vor Kurzem Therapie der 1. Wahl – werden nur noch zurückhaltend eingesetzt, da sie diabetogen (Risiko weiterer Gewichtszunahme u. negative Stoffwechseleffekte) u. physisch leistungslimitierend wirken. Auch Thiaziddiuretika haben in hohen Dosen negative Auswirkungen auf das Lipidprofil. Aktuelle Listung pädiatrischer Antihypertensiva für ACE-Hemmer (Captopril, Enalapril. Ramipril), Kalziumantagonisten (Amlodipin, Nifedipin ER), Diuretica (HCT, Furosemid), ß-Blocker (Atenolol, Metoprolol, Propranolol).

Praktisches Vorgehen: pathophysiologisch u. klinisch evidenzbasiert primär ACE-Hemmer (z.B. Enlalapril 2,5–20mg/die), bei Unverträglichkeit AT-II-Rezeptorblocker.

Kombinationstherapie: Bei DM1 u. chronischer Niereninsuffizienz mit Proteinurie Therapieziel Blutdrucksenkung auf die 50. Perzentile, um hypertoniebedingte Verschlechterung der Nierenfunktion zu vermeiden, meist nur durch Kombinationstherapie möglich. Kombination immer dann, wenn Blutdruck weiter >90. Perzentile bei adäquater Monotherapie verharrt, empfohlen ACE-Hemmer mit niedrigdosiertem HCT (12,5–25mg/die) oder zusätzlich Kalziumantagonist, z.B. Amlodipin 2,5–5mg/die).

Konklusion: Das zunehmende kardiovaskuläre Risikoprofil unserer Kinder verhält sich gegensätzlich zum weltweiten Trend einer Reduktion kardiovaskulärer Morbidität u. Mortalität bei Erwachsenen. Somit kommt auch der juvenilen HTN eine hohe Praxisrelevanz zu. Neben verstärkter Propagierung nicht-medikamentöser Therapiemaßnahmen wird perspektivisch die Konzentration der Ärzte auf pädiatrisch zugelassene Antihypertensiva Bedeutung erlangen.