Aktuelle Neurologie 2010; 37(6): 304
DOI: 10.1055/s-0030-1248568
Nachruf

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Zum Gedenken an Professor Hans Helmut Kornhuber

In Memory of Professor Hans Helmut KornhuberA.  Ludolph1
  • 1Klinik für Neurologie, Universität Ulm
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Publication Date:
03 September 2010 (online)

Am 30.10.2009 ist der Gründer der Ulmer Universitätsklinik und Gründungsprofessor der Ulmer Universität Herr Professor Hans Helmut Kornhuber im Alter von 81 Jahren verstorben. Der gebürtige Ostpreuße aus Königsberg war zweifelsohne einer der deutschen Neurologen, die nach dem 2. Weltkrieg nicht nur einen nationalen, sondern auch einen internationalen Bekanntheitsgrad erreichten. Dies lag v. a. und zuallererst an seinen wissenschaftlichen Leistungen. Geprägt durch seine experimentellen physiologischen Arbeiten bei Richard Jung in Freiburg gelang es ihm, fundierte Beiträge zum vestibulären System, zur Sensorik, Blickmotorik und zu zerebellären Funktionen zu leisten, die nicht nur bei Neurologen, sondern auch bei Physiologen und auch bei Otologen große Anerkennung gewannen. Weltweit bekannt wurde er für seine Entdeckung des Bereitschaftspotenzials, die ja bekannterweise mit seinem damaligen Doktoranden Lüder Deecke gelang. Ich glaube, dass auch die Persönlichkeit von Hans Helmut Kornhuber von dieser Entdeckung geprägt wurde. Davon zeugen seine manchmal pointiert vorgetragenen Überzeugungen zur Willensfreiheit, die manchmal schroff wirkenden Meinungen zur schädlichen Wirkung des Alkohols und Doktrinen, die aus seiner Sicht diese Freiheit des Willens und des Menschen beeinträchtigen konnten. Ich selbst aber habe gelernt, dass diese Meinungsäußerungen, auch wenn man völlig unterschiedlicher Ansicht war, seine positive, unterstützende, häufig freundschaftliche Haltung nicht beeinflussten und seine Liebe zu Streitgesprächen schien sein weiteres Verhältnis zu seiner Umgebung überhaupt nicht zu stören. Ich war zu meiner frühen Zeit in Ulm gleichermaßen überrascht und erstaunt über diese Gegebenheit.

Nicht zu vergessen sind auch seine klinischen Beiträge; so war er maßgeblich an der Entwicklung einer immunsuppressiven Therapie der Multiplen Sklerose mit Mitoxantrone beteiligt; er dachte aber auch über kausale Therapieansätze hinaus an die positiven Effekte symptomatischer Therapie. Therapeutischer Nihilismus war ihm fremd; ein prominentes Beispiel ist sein bekannter Fokus auf die antizipatorische Behandlung von Blasenstörungen bei der MS. Sehr früh hat Kornhuber aber auch erkannt, dass der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter Glutamat nicht nur eine physiologische, sondern auch eine pathologische Rolle im Gehirn des Menschen spielen kann. Hans Helmut Kornhuber eilte der Ruf von beispielhafter Tatkraft und Energie voraus, es gelang ihm, Forschung und klinische Arbeit in heute kaum vorstellbarer Weise zu verbinden. Hans Helmut Kornhuber war kein Schmalspurwissenschaftler, er interessierte sich für biokybernetische, philosophische und soziale Wissenschaften. Seine Selbstdisziplin und Arbeitskraft war legendär.

In Ulm hat er die Universitätsklinik für Neurologie aufgebaut. Zunächst die Klinik in Dietenbronn, dann ab 1984 auch die neurologische Klinik im Rehabilitationskrankenhaus Ulm. Darüber hinaus hat er das Studium Generale in Ulm etabliert; sein Engagement für diese Aufbauarbeit ist heute noch legendär. Die Ulmer Neurologie wird sich gern daran erinnern, wie Hans Helmut Kornhuber für sein Fach eingetreten ist, wie er seine Fortentwicklung betrieben hat, wie er es gemocht hat. Wir haben diesen Enthusiasmus vor 2 Jahren, als wir seinen 80. Geburtstag mit einem Symposium gefeiert haben, noch einmal erleben dürfen ([Abb. 1]).

Prof. H. H. Kornhuber (2. v. l.) beim Symposium anlässlich seines 80. Geburtstags 2008, zusammen mit (v. r. n. l.) Prof. A. Ludolph, Prof. D. Bückmann (Altrektor der Universität), Prof. J. Kassubek (Klinik für Neurologie Ulm).

Prof. Dr. med. Albert Ludolph

Klinik für Neurologie
Universität Ulm

Oberer Eselsberg 45

89081 Ulm

Email: albert.ludolph@rku.de

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