Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2010; 15: S1-S2
DOI: 10.1055/s-0029-1245478
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Weiter so” oder doch mehr Reflexion?

Zur Kosten-Nutzen-Bewertung von ArzneimittelnR. Rychlik1
  • 1Institut für Empirische Gesundheitsökonomie, Burscheid
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 August 2010 (online)

Die Implementation von Wirtschaftlichkeitsaspekten in das deutsche Gesundheitswesen nimmt nur langsam Gestalt an. Zu lange galt „gute Qualität für umsonst” in der deutschen Bevölkerung. Obwohl Wirtschaftlichkeit im § 12 SGB V seit Langem selbstverständlich ist, verläuft die Umsetzung schleppend. Dies betrifft in besonderem Maße Arzneimittel und ärztliche Leistungen.

Immerhin wurde für Arzneimittel in den letzten 5 Jahren über IQWiG und GBA der Versuch unternommen, den Arzneimittelmarkt zu regulieren. Häufig genug wurde jedoch das „Kind mit dem Bade ausgeschüttet”: Entscheidungen konnten vielfach weder wissenschaftlich noch therapeutisch nachvollzogen werden. Bereits 2007 nahmen die Hannoveraner Gesundheitsökonomen J.-M. Graf von der Schulenburg, C. Vauth, T. Mittendorf und W. Greiner hierzu Stellung.

Spätestens seit dem Koalitionspapier der CDU/FDP-Regierung war klar, dass tatsächlich ein neuer Konsens gesucht wird. Im März 2010 schlug sich dieser in einem Eckpunktepapier der Koalitionsparteien nieder. Ausgangspunkt für die Politik sind nach wie vor die hohen Arzneimittelausgaben, die 2009 um 5,3 % gestiegen waren, wobei die kostenintensiven Spezialpräparate als „cost driving” bezeichnet werden.

Nach wie vor will man die besten und wirksamsten Arzneimittel, die jedoch gleichzeitig für Preis und Mengenkomponente wirtschaftlich und kosteneffektiv sein müssen. Insgesamt geht es um verlässliche Rahmenbedingungen.

Bei innovativen Arzneimitteln bleibt der freie Marktzugang für ein Jahr erhalten, wenn ein Dossier zu Nutzen und Kosten vorgelegt wird. Belegt werden sollen hierzu u. a. der medizinische Nutzen, der medizinische Zusatznutzen im Vergleich zu Therapiealternativen und die Therapiekosten. Dies reicht für eine Kurzbewertung innerhalb von 3 Monaten.

Interessant ist das Wording zur Aktion des GBA: „Er kann das IQWiG damit beauftragen.” Bei fehlendem Zusatznutzen bleibt nur das Festbetragssystem.

Erfolgt keine Einigung, soll eine zentrale Schiedsstelle tagen. Grundlage wäre dann ein Referenzpreissystem. Erst dann würde eine Kosten-Nutzen-Bewertung einsetzen, die sodann auf der Basis (noch durchzuführender) Versorgungsstudien ermittelt würde. Gemeinsam mit klinischen Studien werden die Ergebnisse der Versorgungsforschungsstudie sodann entweder durch das IQWiG oder von Krankenkassen bewertet. Letztere schließen gegebenenfalls Mehrwert- oder Versorgungsverträge ab.

J.-M. Graf von der Schulenburg, W. Greiner und C. Dierks legen nunmehr ein neues Gutachten zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln vor. Dieses setzt sich überwiegend mit der Technik und Methodik des IQWiG auseinander. Ziel des Gutachtens im Auftrag des VFA ist es, eine gesetzeskonforme Umsetzung der gesundheitsökonomischen Evaluation zu ermöglichen – nicht als Alternative, sondern als Weiterentwicklung.

Nach dem Überblick über die im Ausland angewendeten Methoden werden die methodischen Anforderungen an ökonomische Evaluationsstudien in Deutschland dargestellt. Ein besonderes Augenmerk wird abschließend auf die Erzielung einer hohen Transparenz gelegt.

Deutlich wird, dass es einen internationalen Konsens zu Kosten-Nutzen-Analysen gibt. Hierzu gehören sowohl QALYs als auch Modellierungen – Methodendetails, die in Deutschland bislang eher zurückhaltend beurteilt wurden.

Abgelehnt wird von den Autoren das sog. Effizienzgrenzenkonzept, das nicht zur Unterstützung der Entscheidung über die Erstattung und/oder Preissetzung innovativer Produkte geeignet ist. Betont wird, dass das Effizienzgrenzenkonzept keinem der in internationalen Fachkreisen anerkannten Standards entspricht.

Abschließend beziehen die Autoren Stellung zu den methodischen Prozessleitlinien, insbesondere sollen alle Aufträge zur Kosten-Nutzen-Bewertung an externe Sachverständige vergeben werden, Modellierungen Verwendung finden, der Versorgungsalltag betont werden und Scoping-Workshops einberufen werden.

Ein Gutachten, das zum Nachdenken, aber auch zur Diskussion anregt.

R. Rychlik

Prof. Dr. Dr. med. Reinhard Rychlik

Institut für Empirische Gesundheitsökonomie

Am Ziegelfeld 28

51399 Burscheid

    >