Krankenhaushygiene up2date 2009; 4(4): 279-280
DOI: 10.1055/s-0029-1243895
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Ganzkörperwaschung mit Chlorhexidin: Reduktion von Bakteriämien

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Publication Date:
22 January 2010 (online)

Climo MW, Sepkowitz KA, Zuccotti G et al. The effect of daily bathing with chlorhexidine on the acquisition of methicillin-resistant Staphylococcus aureus, vancomycin-resistant Enterococcus, and healthcare-associated bloodstream infections: Results of a quasi-experimental multicenter trial. Crit Care Med 2009; 37: 1858 – 1865

Ganzkörperwaschungen mit antibakteriellen Substanzen sind Bestandteil zahlreicher Regimes zur Dekolonisation von Patienten mit MRSA-Besiedlung. Einige kleinere Studien haben den Effekt einer derartigen Maßnahme zur Reduktion horizontaler Transmissionen von VRE mit positivem Ergebnis untersucht. Dies nahm eine Gruppe von Kliniken, die am CDC-Epicenter-Programm teilnehmen, zum Anlass, eine derartige Intervention im Vorher-Nachher-Vergleich in der Routineversorgung der angeschlossenen Intensivstationen zu testen.

An der Studie nahmen 6 internistische, interdisziplinär operative, kardiochirurgische und kardiologische Intensivstationen aus 4 großen amerikanischen Kliniken teil.

Während der ersten 6 Monate des Beobachtungszeitraumes erfolgte die Ganzkörperpflege mit Wasser und Seife gemäß den Pflegestandards der einzelnen Einrichtungen. In den folgenden 6 Monaten wurde statt der Seifenlösung eine Chlorhexidin-Lösung (113,4 ml Chlorhexidin 4 % in 5,7l Wasser) zur täglichen Waschung verwendet, wobei alle Körperregionen, jedoch nicht das Gesicht, Schleimhäute und offene Wundstellen abgewaschen wurden.

Die Compliance wurde indirekt über den Chlorhexidin-Verbrauch überprüft und ggf. erfolgten Nachschulungen des Personals. Die Surveillance von Katheterinfektionen bzw. der Kolonisation mit MRSA und VRE wurde gemäß den CDC-Empfehlungen durchgeführt. Die Standardhygienemaßnahmen der beteiligten Stationen unterschieden sich nicht hinsichtlich der ZVK-Anlage unter maximalen Barrieremaßnahmen und dem routinemäßigen Gebrauch von alkoholischen Händedesinfektionsmittellösungen durch das Personal.

Insgesamt konnten im Beobachtungszeitraum 5293 Intensivbehandlungsfälle inkl. Mehrfachaufnahmen (d. h. 5043 Patienten) ausgewertet werden. 11 333 Surveillancekulturen wurden durchgeführt, was einer Compliance von 85 % entspricht.

Die nosokomiale MRSA-Rate sank von 5,04/1000 auf 3,44/1000 Patienten (p = 0,046), wobei der MRSA-Nachweis in 71 % der Fälle im Nasen-Rachen-Raum, in 20 % in den Atemwegen, in 5 % in Wundabstrichen und in 1,8 % in der Blutkultur erfolgte. Besonders ausgeprägt stellte sich der Effekt in der Untergruppe der Langlieger mit mehr als 10 Tagen Intensivaufenthalt dar, wo die Rate des MRSA-Erwerbs von 9,93 % auf 4,37 % sank (relatives Risiko 0,58; 95 %-Konfidenzintervall 0,351 – 0,968; p = 0,02). Eine signifikante Reduktion der MRSA-Bakteriämien konnte nicht festgestellt werden.

Die Inzidenz von VRE-Bakteriämien nahm hingegen signifikant von 2,13/1000 auf 0,59/1000 Fälle ab.

Die Autoren diskutieren die Limitationen ihrer Studie, die unter anderem in der fehlenden Randomisierung und dem Vorher-Nachher-Design bestehen, und einen Hawthorne-Effekt begünstigen. Sie weisen außerdem auf die Problematik der Resistenzentwicklung bzw. der bestehenden Wirksamkeitslücken von Chlorhexidin insbesondere gegenüber Pseudomonas, Burkholderia und Serratia hin. In dieser Arbeit wurde jedoch kein Anstieg von gramnegativen Infektionen oder Fungämien beobachtet.

Fazit: Die vorliegende Studie untersucht eine auf den ersten Blick einfache Intervention mit potenziell hohem Nutzwert, nämlich die Beimischung einer antibakteriellen Substanz zum Waschwasser von Intensivpatienten. Gleichzeitig werden Fragen nach der richtigen Substanz, dem richtigen Zeitpunkt und der Auswahl der Patienten aufgeworfen, wobei hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ergebnisse die epidemiologische Situation in den USA (mit deutlich höheren MRSA- und vor allem VRE-Raten gegenüber Deutschland) und letztlich immer auch die einrichtungsspezifische Belastungssituation berücksichtigt werden muss. Daraus ergibt sich ein möglicher Nutzen von Waschungen mit antibakteriellen Substanzen (z. B. Chlorhexidin, in Deutschland auch Octenidin) bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren für MRSA- oder VRE-Trägerschaft, Intensivaufenthalt von mehr als 48 Stunden und in Einrichtungen mit einer hohen VRE-Prävalenz. Bei Verwendung von Chlorhexidin sollte eine gezielte Surveillance gramnegativer Infektionen, insbesondere durch Pseudomonaden, als Begleitmaßnahme erfolgen. Auch wenn die Reduktion der Bakteriendichte der Haut des Patienten das Risiko einer horizontalen Transmission durch die Hände des Personals potenziell reduzieren kann, sollte dies nicht dazu führen, die Händedesinfektion des Personals als vorrangige Präventionsmaßnahme zu vernachlässigen.

Dr. med. Sebastian Schulz-Stübner, Karlsruhe

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