Krankenhaushygiene up2date 2009; 4(4): 276
DOI: 10.1055/s-0029-1243891
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Postpylorische Ernährungssonden senken Inzidenz von Erbrechen und Pneumonien

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Publikationsdatum:
22. Januar 2010 (online)

Hsu, CW, Sun SF, Lin SL et al. Duodenal versus gastric feeding in medical intensive care unit patients: A prospective, randomized, clinical study. Crit Care Med 2009; 37: 1866 – 1872

Die frühzeitige enterale Ernährung gehört inzwischen zum Standard bei der Versorgung von Patienten auf der Intensivstation mit dem Ziel, die Integrität der gastrointestinalen Schleimhäute zu erhalten. Umstritten ist jedoch nach wie vor der beste Zugangsweg, um die Sondenkost zu verabreichen und die kalorischen Ernährungsziele zu erreichen.

Hsu und Mitarbeiter verglichen in einer 2-jährigen randomisierten Studie auf einer internistischen Intensivstation den nasogastrischen mit dem nasoduodenalen Weg und analysierten unter anderem die Endpunkte Kalorienzufuhr, Inzidenz von beatmungsassoziierten Pneumonien, Erbrechen, die Blutzuckerkontrolle und Mortalität.

Die Lage der Ernährungssonde wurde radiografisch kontrolliert; wenn erforderlich erfolgte die Anlage der nasoduodenalen Sonden endoskopisch. Die Diagnosestellung beatmungsassoziierter Pneumonien erfolgte gemäß den CDC-Kriterien.

Insgesamt wurden 121 Patienten in die Studie eingeschlossen, von denen 62 nasogastrisch und 59 nasoduodenal mittels Ernährungspumpen (Beginn 20 ml/h und Steigerung um 20 ml/h alle 4 Stunden bis zum Erreichen des Zielwertes mit definierten Unterbrechungskriterien) ernährt wurden. Die demografische Verteilung der Gruppen unterschied sich nicht und die Aufnahmediagnosen reichten von Sepsis, COPD, Pneumonie, Schlaganfall, Herzinfarkt, ARDS bis hin zu neuromuskulären Erkrankungen und Intoxikationen.

Statistisch signifikante Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Inzidenz von Erbrechen (1,7 % nasoduodenal vs. 12,9 % nasogastrisch, p = 0,01) und bei den beatmungsassoziierten Pneumonien (8,6/1000 Beatmungstage in der nasoduodenalen vs. 3,1/1000 in der nasogastrischen Gruppe, p = 0,01). Im Gegensatz dazu zeigten sind sowohl bei der Länge der Beatmungstherapie und des Intensivaufenthaltes als auch bei der Mortalität keine signifikanten Unterschiede. Ein leichter Trend zur besseren Blutzuckerkontrolle in der nasoduodenalen Ernährungsgruppe erreichte ebenfalls keine statistische Signifikanz. Die kalorischen Ernährungsziele wurden in der nasoduodenalen Gruppe statistisch signifikant besser (95 % vs. 83 %, p = 0,003) und schneller (32,4 vs. 54,5h, p = 0,004) erreicht.

Als Limitierungen ihrer Studie diskutieren die Autoren neben der Studiengröße den Schweregrad der Erkrankung der eingeschlossenen Patienten (der APACHE-II-Score lag im Mittel bei 20,3 bzw. 20,5) und die Vielzahl der primären und sekundären Outcomeparameter.

Fazit: Die vorliegende Arbeit gibt einen deutlichen Hinweis auf die Überlegenheit von nasoduodenalen Ernährungssonden hinsichtlich der Vermeidung von beatmungsassoziierten Pneumonien. Sie lässt allerdings auch einen direkten Zusammenhang zwischen Erbrechen während der Ernährung und hohem Residualvolumen als Indikatoren einer gestörten gastralen Entleerung vermuten. Dies untermauert die Mikroaspirationshypothese bei der Entstehung der beatmungsassoziierten Pneumonie. Leider fehlen Angaben, bei wie vielen Patienten eine endoskopische Anlage der duodenalen Ernährungssonde erforderlich war, was für die breite Anwendung in der Routine sicherlich bedeutsam wäre. Da die meisten blind gelegten Ernährungssonden primär gastral liegen, erscheint ein abgestuftes, risikoadaptiertes Vorgehen sinnvoll: Kann über die nasogastrale Sonde problemlos ernährt werden, wird diese belassen. Ergeben sich jedoch Anhaltspunkte für eine gastrale Entleerungsstörung (hohes Residualvolumen und insbesondere Erbrechen), sollte frühzeitig eine duodenale Lage angestrebt werden, um beatmungsassoziierte Pneumonien zu vermeiden.

Dr. med. Sebastian Schulz-Stübner, Karlsruhe

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