Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2010; 42(2): 78-79
DOI: 10.1055/s-0029-1242610
Das Interview
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Vorrangiges Ziel der Ernährungsberatung bei CRC ist die Verhütung oder Behandlung eines Energie- und/oder Nährstoffmangels

Ernährung bei kolorektalem Karzinom
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Publication Date:
30 June 2010 (online)

Seit 2003 als Diätassistentin für die enterale und parenterale Ernährungstherapie in der Charité, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie tätig, 1998 Fortbildung zur Ernährungsberaterin/DGE, seit 2009 Beratungstätigkeit an verschiedenen onkologischen Praxen.

DZO: Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die Ernährung bei der Prävention von kolorektalen Karzinomen?

Frau Freudenreich

Ich erachte eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität zur Gesundheitsförderung für dringend erforderlich. Zur Prävention eines kolorektalen Karzinoms wird in der S3 Leitlinie „Kolorektales Karzinom” eine körperliche Aktivität von 30 bis 60 min täglich empfohlen. Außerdem belegen zwei Kohortenstudien, dass durch körperliche Bewegung das Erkrankungsrisiko reduziert werden kann. Gleichzeitig sollten wir unsere Klienten und Patienten dahingehend beraten, den Obst- und Gemüseverzehr zu steigern. Denn auch hier konnte gezeigt werden, dass ein hoher Gemüsekonsum (3-mal pro Tag) einen protektiven Effekt erzielt. Zusätzlich sollten täglich 2 Portionen Obst gegessen werden.

DZO: Was sollten Patienten in der Ernährung beachten, die an einem Darmkrebs operiert wurden und einen AP haben?

Frau Freudenreich

Für die Ernährungsberatung und Therapie ist es wichtig zu wissen, an welchem Darmabschnitt ein künstlicher Darmausgang angelegt wurde und ob größere Resektionen erforderlich waren. Je nach Positionierung des Stoma bleibt die Funktion des Dickdarms weitgehend erhalten. Insbesondere Patienten mit einem Ileostoma sollten aufgrund der veränderten Physiologie engmaschig in einer Ernährungsambulanz betreut werden, bis die Anpassungsphase abgeschlossen ist. Wenn es durch die OP zur Veränderung der physiologischen Vorgänge kommt, muss die Ernährung und Flüssigkeitsgabe entsprechend angepasst werden.

Die Ernährung bei Stoma-Anlage entspricht eher der einer gesunden Ernährung. Es gibt keine verbindlichen Diätempfehlungen; wir können jedoch mit einer bestimmten Lebensmittelauswahl Einfluss auf die Stuhlkonsistenz, Geruchsbildung und Blähungen nehmen. Rigide Diäten und Einschränkungen sind nicht nötig. Um individuelle Unverträglichkeiten herauszuarbeiten, kann es sinnvoll sein, dass Patienten ein Beschwerdeprotokoll führen.

Bei Stoma-Anlage können außerdem Komplikationen wie Stoma-Blockaden auftreten. Um diesen entgegenzuwirken, sollte ausgiebig gekaut und auf sehr faserreiche Lebensmittel wie Spargel, Staudensellerie, Zitrusfrüchte wie Ananas und Orangen, Obstkerne und Nüsse verzichtet werden.

Ist die Stuhlkonsistenz zu dünn, können folgende Lebensmittel Abhilfe schaffen: Bananen, geriebener Apfel mit Schale, Heidelbeermus, Weißbrot, Haferflocken, geschälter Reis, lang gezogener Schwarztee (10 min), gekochte Kartoffeln, Bitterschokolade und Wasserkakao.

DZO: Häufig leiden Patienten unter gehäuftem Meteorismus. Was sollten Patienten in dieser Situation wissen?

Frau Freudenreich

Patienten, die unter Luftansammlungen leiden, sollten versuchen, geregelte Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen, da dies zu einem geregeltem Entleerungsintervall führt. Wichtig sind auch kleine Mahlzeiten und gründliches Kauen ohne Hektik. Rauchen, hastiges Essen und Trinken fördern Blähungen. Lebensmittel mit blähender Wirkung sind zusätzlich kohlensäurehaltige und koffeinhaltige Getränke, frisches Obst, frisches Brot, Eier und Eierprodukte. Kümmel, Fenchel, Petersilie und Heidelbeeren haben eine blähungshemmende Wirkung. Bei starker Geruchsbildung, die den Patienten störend erscheinen, kann der Verzehr von Preiselbeeren, Petersilie, Joghurt und Quark geruchshemmend wirken. Geruchsbildend sind hartgekochte Eier, aromatische Käsesorten, Fleisch, Fisch und scharfe Gewürze.

DZO: Gibt es spezielle Ernährungsempfehlungen während Chemotherapie?

Frau Freudenreich

Nein. Ein vorrangiges Ziel der Ernährungsberatung ist dabei die Verhütung oder Behandlung eines Energie- und/oder Nährstoffmangels. Die Beratung und Betreuung der Patienten ist hier ausgerichtet nach der Behandlung der verschiedenen Therapienebenwirkungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Entzündungen der Mundschleimhäute etc.

DZO: Was hilft langfristig, um die Darmflora zu regulieren?

Frau Freudenreich

Das Ansiedeln von milchsäurebildenden Bakterien ist für den Menschen besonders wichtig, wenn die Bakterienzusammensetzung der Darmflora gestört ist, z. B. nach der Therapie mit Antibiotika oder nach einer Chemotherapie. In einem solchen Fall sind laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. alle Milchprodukte, die Laktobazillus- und Bifidus-Bakterienstämme enthalten, empfehlenswert. Nicht wärmebehandelte Joghurts und Milchprodukte, die lebende Laktobazillen- und Bifidus-Stämme enthalten, sind ebenfalls gesundheitsförderlich. Die DGE empfiehlt daher, täglich fettarme, gesäuerte Milchprodukte zu verzehren.

DZO: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Frau Freudenreich

Ich bin leidenschaftliche Hundesportlerin und somit täglich mindestens zwei Stunden am Tag an der frischen Luft aktiv, und das bei jedem Wetter.

DZO: Frau Freudenreich, vielen Dank für das Gespräch.

Korrespondenzadresse

Manuela Freudenreich

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Medizinische Klinik und Poliklinik

Charitéplatz 1

10117 Berlin

Email: Manuela.Freudenreich@charite.de

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