Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2009; 41(4): 190-191
DOI: 10.1055/s-0029-1242531
Praxis
Behandlungsprobleme
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Offene Fragen in der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms

Thomas Otto
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Publication Date:
04 January 2010 (online)

Welchen Stellenwert hat die Primärtumorentfernung?

Erfahrungen aus der 25-jährigen Ära der Immuntherapie (z. B. mit Interferon-alpha) belegen eine Überlebensverlängerung um ca. 3 Monate durch Tumornephrektomie vor geplanter Immuntherapie [2].

Aus der Ära der Immuntherapie hat sich die Tumornephrektomie in Kombination mit der Immuntherapie als sinnvoll erwiesen, was allerdings eine zusätzliche Belastung für den Patienten darstellt. Davon abweichend kann die Frage nach der operativen Entfernung von Metastasen eines Nierenzellkarzinoms immer dann erwogen werden, wenn die Metastasen metachron, d. h. Jahre nach Entfernung des Primärtumors und solitär auftreten. In dieser Konstellation ist die Prognose quoad vitam signifikant besser als bei Patienten mit multiplen Metastasen und synchroner Metastasierung.

Seit 2005 ist die medikamentöse Standardtherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms eine so genannte Targettherapie. Mit Einführung einer völlig neuen Generation von Medikamenten wie mTOR-Inhibitoren, Angiogeneseinhibitoren oder einem sogenannten „Multi-drug Targeting” hat sich die Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms grundlegend gewandelt.

Abweichend von den systemtherapeutischen Empfehlungen ist jedoch unklar, ob die Entfernung der tumortragenden Niere vor Einleitung einer Targettherapie von Vorteil ist.

Im Zusammenhang mit einer Temsirolimusbehandlung scheint die Nephrektomie nicht erforderlich, d. h. nephrektomierte wie nicht nephrektomierte Patienten haben eine vergleichbare Prognose/Überleben/Progressrate [3].

Sollten sich die Behandlungsergebnisse aus der Immuntherapie mit Interferon-alpha auch auf die Nephrektomie vor Targettherapie übertragen lassen, so hätten der Mehraufwand und die zusätzliche Belastung der Patienten mit einer operativen Maßnahme den Nutzen einer 3-monatigen Lebensverlängerung. Sollten sich andererseits die Beobachtungen von Subgruppen aus Targettherapiestudien bestätigen, so hätte der bisherige Standard (Tumornephrektomie) nur Nachteile und keinen Einfluss auf eine Lebensverlängerung. Wissenschaftlich kann die Frage zurzeit nicht beantwortet werden und ist Gegenstand einer prospektiv randomisierten Studie.

Aktuell wird ein Risikoscore zur Selektion geeigneter Patienten im Rahmen der Frage einer Tumornephrektomie propagiert: Auf der Basis von 6 Risikofaktoren profitieren die Patienten von einer Tumornephrektomie, die maximal einen Risikofaktor aufweisen. Patienten mit 2 oder mehr Faktoren profitieren von der Operation nicht. Dem Risikoscore werden folgende Parameter zugrunde gelegt [1]:

LDH<600IU/L Serumalbumin<3.5gr/100ml Lebermetastasen ausgedehnter retroperitonealer Tumor (N3) mediastinale Lymphknotenmetastasen lokaler Tumor T3b/T4

Literatur

  • 01 Culp S H, Abel E J, Margulis V, Bill K L, Tamboli P, Jonasch E, Matin S F, Swanson D A, Tannir N M, Wood C G. Identifying patients with metastatic renal cell carcinoma who will not benefit from cytoreductive nephrectomy.  J Urol. 2009;  181 (4) 498
  • 02 Flanigan R C, Salmon S E, Blumenstein B A, Bearman S I, Roy V, McGrath P C, Caton Jr J R, Munshi N, Crawford E D. Nephrectomy followed by interferon alfa-2b compared with interferon alfa-2b alone for metastatic renal-cell cancer.  N Engl J Med. 2001;  345 1655-1659
  • 03 Logan T, McDermott D F, Dutcher J P, Makhson A, Mikulas J, Berkenblit A, Galand L, Krygowski M, Hudes G R. Exploratory analysis of the influence of nephrectomy status on temsirolimus efficacy in patients with advanced renal cell carcinoma and poor-risk features.  J Clin Oncol. 2008;  26 5050
  • 04 Otto T, (Hrsg.). mTOR-Inhibition – Ein neuer Wirkmechanismus in der Onkologie. Bremen; Uni-Med 2009

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Thomas Otto

Chefarzt der Urologischen Klinik
Städtische Kliniken Neuss – Lukaskrankenhaus – GmbH;

Preußenstraße 84

41464 Neuss

Email: thomas_otto@lukasneuss.de

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