Gesundheitswesen 2009; 71 - A114
DOI: 10.1055/s-0029-1239164

Aktuelle Entwicklungen und Bedarf der Prävention: Ausdifferenzierung von sozialer Benachteiligung und Soziallagenorientierung

R Geene 1
  • 1Angewandte Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal

Einleitung/Hintergrund: Mit der Bezeichnung „Soziale Benachteiligung“ klassifizieren wir in der Sozialanalyse nach Einkommen, beruflicher Stellung und Ausbildung benachteiligte Bevölkerungsgruppen, denen wir deutlich schlechtere Gesundheitschancen zuordnen. Die hier subsumierten Menschen lehnen eine solche Zuschreibung jedoch zumeist ab. Eine genauere Betrachtung zeigt zudem höchst unterschiedliche Lebensrealitäten.

Material und Methoden: Grundlage der vorgetragenen Beobachtungen bilden einerseits Literaturstudien insb. aus nordeuropäischen sowie nordamerikanischen Ländern zu den Themen Health Promotion und Diversity, untermauert durch eine Studie an der Hochschule Magdeburg-Stendal, in der wir junge Mütter zu ihrer Wahrnehmung der gesundheitlichen und sozialen Versorgung befragen sowie muttersprachlich geführten Interviews mit jungen Eltern unterschiedlicher ethnischer Herkunft und insgesamt sieben Expertenworkshops in den Stadtteilen Berlin-Marzahn und Berlin-Kreuzberg, die im Rahmen der von Gesundheit Berlin initiierten und durch das Bundesministerium für Gesundheit finanzierten Vorstudie „Familien stark machen“ mit Unterstützung des Gemeindedolmetschdienstes von Oktober bis Dezember 2008 durchgeführt wurden mit dem Ziel, die konkreten Lebensrealitäten junger Familien zu erkunden und Strategien für eine nachhaltige Bewegungsförderung zu ermitteln.

Ergebnisse: Es wird deutlich, dass wir es mit verschiedenen Formen sozialer Benachteiligung zu tun haben, die sich etwas holzschnittartig, aber doch deutlich unterscheiden lassen in das, was wir hier „Desintegrationsproblematiken“ nennen möchten, und einer zweiten und oft unabhängigen Art der Benachteiligung, die wir als „Teilhabedefizit“ bezeichnen. Während die erstgenannte Desintegrationsproblematik vor allem junge, herkunftsdeutsche Familien mit niedrigem sozialem Status betrifft, sind es vor allem Angehörige von Migrationsgruppen, die kaum an den gängigen gesundheitlichen und sozialen Dienstleistungen teilnehmen, geschweige partizipativ mitwirken.

Diskussion/Schlussfolgerungen:Übersetzen wir diese Benachteiligungsformen in Bedarfe und Bedürfnisse sozialer Gruppen, erfordert dies vor allem Gesundheitsförderungsmaßnahmen im Sinne des Advocacy, der Capacity- sowie der Sozialkapitalförderung. Die verbreiteten Formen der Setting- und Sozialraumorientierung bieten hier gute Ansatzpunkte, sollten aber vor allem durch Ansätze der Community-Orientierung ergänzt werden.