Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - A109
DOI: 10.1055/s-0029-1239025

Biomechanische Analyse der Drucktransmission im Richtungsvektorsystem des weiblichen Beckenbodens

A Strauss 1, A Lienemann 2, N Knöß 3, C Kümper 1
  • 1Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein – Campus Kiel, Kiel
  • 2Institut für Röntgendiagnostik, Helios Kliniken Schwerin, Schwerin
  • 3Klinik für Diagnostische Radiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein – Campus Kiel, Kiel

Fragestellung: Die Magnetresonanztomografie der Organe des Kleinen Beckens hat sich zur Objektivierung der weiblichen Beckenbodeninsuffizienz im Rahmen der dynamischen Bildgebung urogynäkologischer Leidenszustände etabliert. Grundlegende Fragestellungen zur klinischen Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse sind dabei noch zu erörtern.

Methode: Prospektive, computergestützte Analyse der Kraftvektoren des Harnblasenschwerpunkts in Abhängigkeit diverser Einflussfaktoren (Geburtsmodus, Beckenapertur, Beckenkippung, Fläche/Weite des Levatortors) an 136 Frauen. 20 Nulliparae, 99 Primiparae und 17 Frauen mit symptomatischer Beckenbodenschwäche.

Ergebnisse: Die Pressrichtung verändert sich postpartal im Vergleich der Kollektive sukzessive von ventral nach dorsal. In Richtung Symphyse weist der Richtungsvektor der Presskraft in 80% (n=16) der Nulliparae, in 63% (n=15) der Primiparae (jeweils Z.n Spontangeburt) und in 24% (n=4) der symptomatischen Beckenbodenpatientinnen (p<0,001). Auch der Geburtmodus korreliert signifikant mit einer Dorsalverlagerung der Drucktransmissionsrichtung. Nach vorangegangener Sectio caesarea weist der Richtungsvektor 78% (n=27) und nach vaginaler Entbindung in 64% (n=40) nach ventral (p<0,01). Weitere Abhängigkeiten bestehen von der Fläche und Weite des Levatortors, der Beckenkippung nicht aber von der Beckenapertur.

Schlussfolgerung: Die Richtung der Kraftvektoren im Kleinen Becken ist keine unabhängige Größe für das Ausmaß einer Beckenbodenschwäche. Einflussgrößen auf die Kraftverteilung sind neben der Schwangerschaft, der Geburtsmodus und das Lebensalter. Eine im jungendlichen Alter erworbene Schädigung der Beckenbodenstruktur, aggraviert durch konsekutive langjährige Fehlbelastung in den Folgejahren durch zu dorsale Pressrichtung und/oder Beckenkippung, mündet in einen Circulus vitiosus akzelerierender Beckenbodeninsuffizienz. Erstmalig kann ein mathematisches Modell die Auswirkungen der Drucktransmission auf den Beckenboden erklären.