Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P713
DOI: 10.1055/s-0029-1238806

Orthostase – unterschiedliche Reaktion sympathischer Muskelvasokonstriktor-Neurone bei Frauen und Männern?

D Naleschinski 1, G Wasner 1, S Rehm 1, R Baron 1
  • 1Kiel

1: In der Kipptischuntersuchung kommt es bei orthostatischer Belastung zu einer physiologischen Blutdruckstabilisierung, indem der Blutdruck nach kurzem initialen Abfall auf mindestens das gleiche Niveau wie vor der orthostatischen Belastung ansteigt. Ursache ist eine Vasokonstriktion vor allem im Gefäßbett der Skelettmuskulatur als Folge einer Barorezeptorreflex-vermittelten Zunahme der Aktivität sympathischer Neurone. Die Frage, inwieweit es geschlechtsspezifische Unterschiede in dieser Regulation gibt, ist nicht ausreichend untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Mikrozirkulation in der quergestreiften Skelettmuskulatur während der Kipptischuntersuchung bei Frauen und Männern zu messen, um so Rückschlüsse auf die Aktivität sympathischer Vasokonstriktorneurone zu ziehen.

2: Bei 9 Frauen und 12Männern wurde eine Testung der orthostatischen Kreislaufreaktion mittels Kipptischuntersuchung durchgeführt. Während der gesamten Kipptischuntersuchung wurde der relative Blutfluss in der Skelettmuskulatur am Unterschenkel (M. tibialis anterior) bestimmt. Das Messprinzip beruht auf einer Kombination aus Laser-Doppler-Technik und Gewebsspektroskopie (O2C; LEA Medizintechnik GmbH).

3: Die Kipptischuntersuchung zeigte bei allen Probanden eine regelrechte orthostatische Blutdruckregulation ohne geschlechtsspezifische Unterschiede, bis auf einen signifikant höheren Anstieg der Herzfrequenz bei Männern. Signifikante Unterschiede zeigten sich jedoch in der Mikrozirkulation der Skelettmuskulatur. Bei Frauen war der Ruhefluss sowohl in der Liege- als auch in der Standphase signifikant niedriger. Zusätzlich nahm der Fluss bei den Frauen in der Standphase ab, im Gegensatz zu den Männern, wo eine Zunahme zu verzeichnen war.

4: Entsprechend der Vorstellungen zur Physiologie der Orthostasereaktion ist bei Frauen der Abfall der Durchblutung in der Mikrozirkulation bei erhaltenem Blutdruck vereinbar mit einer Zunahme des Gefäßwiderstandes als Folge einer Aktivierung sympathischer Vasokonstriktorneurone. Bei Männern scheint allenfalls eine geringe Vasokonstriktion während der Kipptischuntersuchung vorzuliegen, vielmehr kommt es zu einem kompensatorischen Herzfrequenzanstieg. Die Ergebnisse könnten auf geschlechtsspezifische Unterschiede der autonomen Gefäßregulation unter Orthostase hinweisen. Inwieweit Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen und einer geringeren Orthostasetoleranz mit vermehrter Synkopenneigung bei Frauen besteht, sollen Folgeuntersuchungen zeigen.