Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P678
DOI: 10.1055/s-0029-1238771

Anaphylaktoide und anaphylaktische Reaktionen unter Behandlung mit Glatirameracetat bei sechs MS-Patienten

A Baumgartner 1, O Stich 1, S Rauer 1
  • 1Freiburg

In mehreren Studien wurde gezeigt, dass Glatirameracetat (Copaxone) bei schubförmiger Multipler Sklerose die Krankheitsprogression verzögert und sowohl die Schubrate wie auch die kernspintomographisch nachgewiesene Krankheitsaktivität reduziert. Als häufigste Nebenwirkungen gelten lokale Reaktionen an der Einstichstelle und die unmittelbar nach Injektion eintretende systemische Sofortreaktion (IPISR; immediate post injection systemic reaction). In Bezug auf systemische anaphylaktoide bzw. anaphylaktische Reaktionen ist bislang wenig bekannt. Ein Fallbericht von Rauschka et al. beschreibt einen Patienten mit systemischer anaphylaktischer Reaktion auf Copaxone mit ausgeprägter Immunglobulinsynthese, wobei insbesondere eine IgE-Synthese beschrieben wird (Rauschka et al, Neurology. 2005 64(8):1481–2).

Wir berichten von sechs Patienten mit einer systemischen anaphylaktoiden bzw. anaphylaktischen Reaktion gegen Copaxone. Diese traten zwei bis neun Monate nach Beginn der Behandlung auf. Drei Patienten erlitten eine schwere anaphylaktische Reaktion mit Schocksymptomatik, kardiovaskulärer Dekompensation und Bronchospasmus, wovon zwei Patienten intensivmedizinisch überwacht werden mussten. Zwei Patienten berichteten über eine IPISR wenige Wochen vor der anaphylaktischen Reaktion. Die Patienten mit schwerer Anaphylaxie zeigten eine gute Verträglichkeit bis zum Auftreten der anaphylaktischen Reaktion. Die Symptomatik war bei drei Patienten mit leichter bis mittelgradiger anaphylaktischer Reaktion nach wenigen Tagen und Absetzen der Behandlung spontan regredient; die weiteren Patienten mit schwerer Anaphylaxie zeigten eine langsame Besserung nach Gabe von Glukokortikoiden, Antihistaminika und Adrenalin. Die schubprophylaktische Behandlung wurde nach Auftreten der anaphylaktoiden bzw. anaphylaktischen Reaktion bei allen Patienten entweder aufgrund einer geringen Schubrate und auf Wunsch des Patienten abgesetzt oder auf ein Beta-Interferon-Präparat umgestellt.

Somit ergeben sich Hinweise, dass Copaxone trotz generell sehr guter Verträglichkeit in seltenen Fällen zu schweren systemischen anaphylaktischen Reaktionen führen kann, die gelegentlich auch mehrere Monate nach Behandlungsbeginn ohne Prodromi aufteten können.