Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P661
DOI: 10.1055/s-0029-1238754

Verlauf kognitiver Leistungen über 18 Monate im Frühstadium bei Multipler Sklerose

JH Faiss 1, K Baum 1, D Dähne 1, R Deppe 1, F Hoffmann 1, W Köhler 1, A Kunkel 1, A Lux 1, M Matzke 1, M Sailer 1, UK Zettl 1
  • 1Teupitz, Hennigsdorf, Halle, Wermsdorf, Magdeburg, Rostock

Fragestellung: 40 bis 60% aller Patienten mit Multipler Sklerose (MS) erleiden im Erkrankungsverlauf kognitive Defizite, die sich auf die Aufmerksamkeits-, Gedächtnisleistungen und exekutiven Funktionen beziehen. In jüngster Zeit wurde gezeigt, dass bereits bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) und zum Zeitpunkt der Diagnosestellung kognitive Defizite bestehen können.

Daraus leitete sich die Fragestellung nach dem Verlauf der kognitiven Leistungen im frühen Erkrankungsstadium und im Längsschnitt über einen Beobachtungszeitraum von 18 Monaten ab.

Methodik: Die untersuchte Stichprobe umfasste 47 Patienten (15Männer, 32 Frauen) im Alter von 16 bis 45 Jahren (M=31,2 +- 8,9 Jahre). Eingeschlossen wurden CIS-Patienten, von denen zum Zeitpunkt der ersten kognitiven Untersuchung (90–180 Tage nach erstem klinischem Ereignis) 60% weiterhin ein CIS und 40% einen schubförmig remittierenden Verlauf der MS aufwiesen. Der mittlere EDSS betrug 1,5 (0–4,0). Die Untersuchung der kognitiven Leistungen erfolgte mittels definierter neuropsychologischer Testbatterie, bestehend aus Tests zur Aufmerksamkeit, zum Gedächtnis (verbal, nonverbal), den exekutiven Funktionen und dem verbal-intellektuellen Niveau. Zur Beurteilung des Verlaufs der kognitiven Leistungen erfolgte eine wiederholte Untersuchung nach 18 Monaten. Um Übungseffekte zu bewerten, wurden 20 gesunde alters-, geschlecht-, bildungsparallelisierte Kontrollprobanden wiederholt untersucht (N=17, drop-out=15%).

Ergebnisse: Zur ersten Untersuchung zeigten 51% der Patienten (N=47) pathologische Leistungen (2 Standardabweichungen unter der Norm) in mindestens einem Testparameter. Betroffen waren die Aufmerksamkeitsteilung (17%), die nonverbale Lernleistung (23%) und Wortflüssigkeit (9–15%). Nach 18 Monaten waren 43% der Patienten (N=37, drop-out=21%) in den gleichen Testparametern auffällig, wobei die Leistungsveränderung nicht signifikant war (p=0,153).

Bei den Kontrollprobanden hingegen fiel im Vergleich beider Untersuchungszeitpunkte eine signifikante Leistungssteigerung in verschiedenen Aufmerksamkeitsparametern (p=0,00– 0,025) und den exekutiven Funktionen (p=0,008) auf.

Schlussfolgerungen: Bei den Kontrollprobanden ergab sich im Beobachtungszeitraum eine Leistungssteigerung, die als Übungseffekt gewertet wird. Dieser Effekt blieb bei den Patienten aus, was als Hinweis für fehlende kompensatorische Ressourcen diskutiert wird.