Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P638
DOI: 10.1055/s-0029-1238731

Klinische Alltags-Aktivitätsdiagnostik bei Patienten mit hirnorganisch bedingten kognitiven Leistungsdefiziten

C Weiand 1, PW Schönle 1, S Braune 1, A Stopfel 1, R Gieselmann 1, A Augustin 1, M van de Sand 1, T Lindenlaub 1, G Hong 1
  • 1Bad Oeynhausen

Fragestellung: Eine klinische Alltags-Aktivitätsdiagnostik bei Patienten mit hirnorganisch bedingten kognitiven Leistungsdefiziten muss Prognosen der Handlungsfähigkeit im häuslichen Alltag ermöglichen. Voraussetzung dafür wäre, dass die unendliche Vielzahl möglicher, individueller Alltagsaktivitäten auf aussagekräftige Elementar-Aktivitäten (Acteme) und Prozesse der Regulation und Koordination von Actemen (ReKo-Prozesse) reduziert werden kann. Dieser Fragestellung wird in einem langfristig angelegten Projekt auf einer neurokognitiven Station nachgegangen. Der hier präsentierte erste Schritt dient dazu, eine Liste entscheidender Acteme und ReKos zu erstellen und Vorformen möglicher Aktivitätstests zu erproben. Acteme könnten z.B. sein: „ein Objekt öffnen“, „etwas befüllen“, „Objekte explorieren“. ReKos könnten z.B. sein „Initiierung einer Teilhandlung“, „Reihung von Actemen“, „Achtsamkeit beim Handeln“.

Methode: 3 komplexe (innerklinisch testbare) Alltagsaktivitäten (A=Frühstücken, B=Spülmaschine füllen, C=Kaffeekochen an Expertenmaschine) werden in mögliche zugrunde liegende Acteme und ReKos zerlegt. Diese Bausteine können in komplexen Alltagsaktivitäten mehrfach auftreten bzw. in unterschiedlichen Alltagsaktivitäten eine Schnittmenge bilden.

Design: Patienten einer neurokognitiven Station absolvieren im Abstand von ca. 8 Wochen je 2 Alltagsaktivitätstests, von denen sich einer wiederholt (AB_1-B_2C). Der Störungsgrad der beobachtbaren Acteme und ReKos wird am Ausmaß der nötigen Hilfestellung und am Resultat der Teilhandlung bewertet. Es wird angenommen, dass Acteme und ReKos zu einem Testzeitpunkt überall dort, wo sie Bausteine sind, im Störungsgrad miteinander korrelieren (innerhalb von A, B_1, B_2, C; in der Schnittmenge von A-B_1 und B_2-C).

Verbessern sich die Störungen, verbessern sich die komplexen Aktivitäten in den betreffenden Handlungsteilen unabhängig davon, ob es sich um den wiederholten Test (B_1-B_2) oder einen anderen Alltagsaktivitätstest (A-C) handelt.

Ergebnisse und Ausblick: 3 Alltagsaktivitäten (Frühstücken, Spülmaschine füllen, Kaffee an Expertenmaschine kochen) wurden durch Verhaltensbeobachtungen analysiert, die Teilhandlungen konnten Actemen und ReKos zugeordnet werden. Erste Probetestungen weisen darauf hin, dass der dargestellte Weg zu einer Alltags-Aktivitätsdiagnostik vielversprechend ist. In der neurologischen Rehabilitation könnte auf dieser Basis hochspezifisch handlungs- und alltagsorientiert therapiert werden.