Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P635
DOI: 10.1055/s-0029-1238728

In wieweit sind Kleinhirn oder Thalamus an der Riechwahrnehmung beteiligt?

S Zobel 1, J Ilgner 1, A Finkelmeyer 1, U Habel 1, T Hummel 1, J Schulz 1, M Kronenbuerger 1
  • 1Aachen, Dresden

Fragestellung: Nach klassischer Vorstellung sind Kleinhirn und Thalamus nicht an der Riechwahrnehmung beteiligt. Ergebnisse von funktioneller Bildgebung legen jedoch eine Beteiligung dieser Strukturen beim Riechen nahe. Diesen Befunden wurde weiter nachgegangen, um den Aufbau des olfaktorischen Systems weiter zu erforschen.

Methoden: Es wurden 15 Patienten mit einseitiger Kleinhirnschädigung, 13 Patienten mit einseitiger Thalamusschädigung und 15 Kontrollpersonen untersucht. Zur Erfassung von Riechschwelle, Geruchsdiskrimination und -identifikation wurden die Sniffin Sticks verwendet. Die Ergebnisse der Untersuchungen am ipsiläsionellen wurden mit denen vom kontraläsionellen Nasenloch verglichen. Zudem wurden neuropsychologische Tests zur Erfassung von Exekutiv- und Gedächtnisfunktionen sowie HNO-Untersuchungen durchgeführt. Die Patienten hatten keine offensichtlichen neurologischen Defizite (z.B. eine Hemiparese), die dem Untersucher den Ort der Läsion verraten hätten. Dadurch und dass der genaue Hintergrund der Untersuchung den Patienten nicht detailliert dargelegt wurde, war eine doppelt-verblindete Untersuchung möglich.

Ergebnisse: Bei einseitiger Kleinhirnläsion (insbeondere der Kleinhirnhemisphären, s. Grafik) zeigten sich signifikante Defizite für die Riechschwelle und die -identifikation am kontralateralen Nasenloch, während sich bei einseitiger Thalamusläsion am ipsilateralen Nasenloch ein Trend zur Beeinträchtigung der Riechschwelle und Geruchsdiskrimination zeigte (s. Tabelle). In der neuropsychologischen Testung zeigten sich nur bei den Patienten mit Kleinhirnläsion Defizite. Bei den HNO-ärztlichen Untersuchungen fanden sich keine Auffälligkeiten.

Schlussfolgerung:

  • Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass das Kleinhirn an der Riechwahrnehmung beteiligt ist.

  • Die Riechdefizite sind möglicherweise im Zusammenhang mit den neuropsychologischen Defiziten einzuordnen.

  • Die Riechdefizite sind subklinisch, da keiner der Patienten Riechstörungen bemerkte.

  • Weitere Untersuchungen bei Patienten mit Thalamusläsionen sind geplant um eine bessere Aussage über die Beteiligung des Thalamus an der Riechwahrnehmung machen zu können.

Tabelle: Differenzen zwischen ipsi- und kontraläsionellem Nasenloch

Werte in der Tabelle sind Mittelwerte (Standardabweichung); * <0.05

Diskrimination

Schwelle

Identifikation

Kontrollen

0,1 (0,8)

0,0 (1,2)

0,3 (0,7)

Kleinhirnläsion

0,5 (2.0)

2,2 (1,5)*

0,7 (1,2)*

Thalamusläsion

-0,9 (2.9)

-0,4 (2,0)

0,0 (1.7)