Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P590
DOI: 10.1055/s-0029-1238683

Zerebrale Läsionen durch atypische Monozyten – eine interdisziplinäre Herausforderung

J Ehler 1, R Patejdl 1, H Sebb 1, A Großmann 1, R Lehmitz 1, J Pahnke 1, C Junghanß 1, S Vogelgesang 1, M Brüggemann 1, F Prall 1, R Benecke 1, UK Zettl 1
  • 1Rostock, Greifswald, Kiel

Hintergrund: Non-Hodgkin-Lymphome zeigen seit Jahren eine steigende Inzidenz und müssen stets bei differenzialdiagnostischen Überlegungen bedacht werden.

Eine seltene ZNS-Beteiligung geht mit relativ unspezifischen Symptomen, wie einem hirnorganischen Psychosyndrom und/oder fokal-neurologischen Defiziten einher.

Aufgrund der unspezifischen Klinik und diversen möglichen Erkrankungen ist eine umfangreiche Differenzialdiagnostik zur Diagnosesicherung nötig.

Fallbeschreibung: Ein 70-jähriger Patient ohne Vorerkrankungen wurde mit einem seit 8 Wochen bestehenden progredienten hirnorganischen Psychosyndrom, klinisch imponierend durch Verlangsamung, Affektverflachung und Fehlhandlungen, unter der Verdachtsdiagnose einer chronischen Enzephalitis zugewiesen.

Fokal-neurologisch zeigte sich initial ein unauffälliger Befund. Erst im Verlauf entwickelte sich eine periphere Fazialisparese links. Paraklinisch bestanden keine Infektzeichen, dagegen eine Panzytopenie mit führender Leuko- und Lymphopenie.

Die zerebrale Magnetresonanztomografie zeigte zunehmend flächige Herde beginnend links frontal sowie im Verlauf rechts frontal und im Hirnstammbereich mit vermehrter Kontrastmittelaufnahme.

Der Liquor cerebrospinalis wies im Verlauf eine mäßige Pleozytose mit 110–200 Zellen, ein Gesamtprotein bis 3800mg/l sowie eine Laktaterhöhung bis 9,3mmol/l auf. In der Zelldifferenzierung fielen vermehrt atypische, monozytäre Zellen auf, die immunzytologisch als CD4-positive T-Lymphozyten detektiert wurden. Die ausführliche Erregerdiagnostik zeigte sich unauffällig.

Immunhistologische Untersuchungen des Knochenmarks wurden initial ohne Lymphomhinweise als reaktiv verändert interpretiert.

Erst molekularbiologische Untersuchungen der Lymphozyten in Blut, Knochenmark, Liquor cerebrospinalis und im Hirngewebe mit Nachweis von T-Zell-Rezeptor-Gen-Rearrangements ermöglichten die Diagnosestellung.

Ergebnis/Schlussfolgerung: Es zeigte sich ein systemisches T-Zell-Lymphom mit Beteiligung von Knochenmark und Zentralnervensystem. Diese stellen neben den häufigeren B-Zell-Lymphomen eine Rarität dar. Eine sichere Diagnosestellung wäre ohne umfangreiche molekularbiologische Diagnostik inklusive der Knochenmark- und Hirnbiopsie nicht möglich gewesen. Eine intravenöse Methotrexat-Gabe wurde begonnen, der nach fehlender Besserung eine palliative Bestrahlung des Neurokraniums folgte.