Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P584
DOI: 10.1055/s-0029-1238677

Neuralgiformer Gesichtsschmerz nach Carotisendarterektomie: Eagle-Syndrom als seltene Differenzialdiagnose

H Kazarians 1, C Arning 1, J Schönwälder 1, P Breuer 1
  • 1Hamburg

Ein 72-jähirger Patient mit einer asymptomatischen hochgradigen Stenose der Arteria carotis interna rechts wurde in Lokoregionalanästhesie operativ desoblierteriert. Nach dem Eingriff traten anhaltende neuralgiforme rechtsseitige Gesichtsschmerzen betont präaurikulär auf sowie Parästhesien im Kieferwinkel. Differenzialdiagnostische Hinweise für eine Carotisdissektion, eine strukturelle Irritation des N. trigeminus im Kleinhirnbrückenwinkel oder einen entzündlichen schädelbasisnahen Prozess fanden sich nicht. Computertomografisch konnte schließlich ein beidseits überlanger Processus styloideus dargestellt und die Diagnose eines Eagle-Syndroms gestellt werden. Unter antineuralgiformer Schmerztherapie mit Pregabalin reduzierten sich die Gesichtsneuralgien deutlich.

Das Eagle-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Irritation kaudaler Hirnnerven bzw. der sympathischen Nervenplexus in der Wand der Arteria carotis durch einen überlangen Processus styloideus bzw. ein ossifiziertes Ligamentum stylohyoideum. Neben der Länge des Processus spielt dabei auch die anteriore Angulation eine Rolle. Auslöser dieser Ossifikation können neben altersphysiologischen Prozessen auch lokale Traumen und Entzündungen sein.

Auffällig ist jedoch die Diskrepanz zwischen der hohen Inzidenz asymptomatischer Merkmalsträger und der seltenen klinischen Manifestation, wobei das Eagle-Syndrom in der Differenzialdiagnose von Gesichtsschmerzen potentiell aufgrund mangelnder Bekanntheit unterdiagnostiziert ist. Auch bei unserem Patienten trat das Syndrom trotz beidseits überlangem Processus styloideus nur unilateral auf. Offensichtlich sind wie auch im vorliegenden Fall lokale Operationen mit begleitendem Gewebstrauma geeignet, bei entsprechender anatomischer, interindividuell verschiedener Präformation das Eagle-Syndrom klinisch manifest werden zu lassen. Allerdings ist auch ein spontanes Auftreten des Eagle-Syndroms ohne eruierbare äußere Auslöser beschrieben. Neben einer antineuralgiformen medikamentösen Therapie wie in unserem Fall kommt bei Therapieversagen auch die operative Kürzung des Processus styloideus in Frage.

Die Kasuistik dokumentiert das Eagle-Syndrom als seltene aber relevante Differenzialdiagnose von Gesichtsneuralgien und zeigt die Notwendigkeit, schädelbasisnahe ossäre Prozesse in der Abklärung von fazialen Neuralgien zu berücksichtigen. Insbesondere das zusätzliche Auftreten von Globusgefühl und Dysphagie sollten an diese Ursache denken lassen.