Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P537
DOI: 10.1055/s-0029-1238631

Hippotherapie bei Multipler Sklerose – eine prospektive, kontrollierte, randomisierte und einfachblinde Studie

S Boswell 1, K Gusowski 1, A Kaiser 1, P Flachenecker 1
  • 1Bad Wildbad

Die Hippotherapie soll Spastik, Gehvermögen, Gleichgewicht und Lebensqualität von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) verbessern, der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis steht allerdings aus. Ziel der vorliegenden kontrollierten, randomisierten und einfach-blinden Studie war es, kurz- und mittelfristige Effekte der Hippotherapie bei Patienten mit MS zu evaluieren.

Patienten und Methoden: Allen Patienten, die zwischen Oktober 2007 und Juni 2008 mit MS und eingeschränktem Gehvermögen (EDSS 4,0–7,0) zu einer neurologischen Rehabilitationsmaßnahme aufgenommen wurden, wurde die Teilnahme an der Studie angeboten. Ausschlusskriterien waren (1) Cortisontherapie innerhalb der letzten 3 Monate, (2) neue oder geänderte Immuntherapie in den letzten 3 Monaten oder (3) schwerwiegende Begleiterkrankungen. Nach schriftlichem Einverständnis wurden die Patienten zur Hippotherapiegruppe (HG, Hippotherapie über 20 Minuten einmal wöchentlich für 3 Wochen zusätzlich zum individuellen, störungsspezifischen Rehabilitationsprogramm) oder zur Kontrollgruppe (KG, einmal wöchentlich Physiotherapie über 20 Minuten als zusätzliche Behandlung) randomisiert. Von einem geblindeten Untersucher wurden dreimal wöchentlich standardisierte Gangparameter (6-Minuten-Gehtest, 10-m-Gehtest und Timed-Get-Up-and-Go-Test) und zu Beginn und am Ende der drei Wochen Rivermead- und Tinetti-Test, der ARAT und eine beobachtende Ganganalyse durchgeführt. Spastizität (MSSS-88) und Fatigue (WEIMuS) wurden mit Fragebogen erfasst.

Ergebnisse: Insgesamt konnten die Daten von 29 MS-Patienten ausgewertet werden (15 HG, Alter 45,2±8,5; 14 KG, Alter 48,6±9,6). Während Rivermead- und Tinetti-Test, ARAT und MSSS-88 in beiden Gruppen nach 3 Wochen signifikant verbessert waren, wies die Ganganalyse nur bei den HG-Patienten signifikante Unterschiede im Vergleich zur Eingangsuntersuchung auf. Gleichermaßen waren bei der gepoolten Analyse die quantitativen Gangparameter am Tag nach der Therapie nur in der Hippotherapie-Gruppe signifikant verbessert.

Schlussfolgerung: Die Hippotherapie hat sowohl kurz- als auch mittelfristige positive Effekte auf Gangqualität, Gehvermögen und Ausdauerleistung, die diejenigen der konventionellen Physiotherapie gleicher Zeitdauer übersteigen. Damit stellt die Hippotherapie eine wichtige Ergänzung der Physiotherapie dar und verdient demzufolge bei der Therapieplanung stärkere Beachtung.