Hintergrund: Motoneuronerkrankungen sind eine seltene Folge einer HIV-Infektion. Wie stellen den
Fall eines Patienten vor, der an einer schweren und rasch fortschreitenden HIV-assoziierten
Erkrankung mit Beteiligung des Hirnstamms und des Myelons verstarb, ohne Hinweise
auf eine weiter HIV-assoziierte Erkrankung oder einen laborchemisch messbaren Immundefekt
zu zeigen.
Fallbeschreibung: Ein 37 Jahre alter Patient stellte sich mit Dysarthrie und Ungeschicklichkeit der
rechten Hand vor. Eine HIV-Infektion war fünf Jahre zuvor serologisch diagnostiziert
worden, er befand sich im CDC-Stadium A1. Die hochaktive antiretrovirale Therapie
(HAART) nahm er zuverlässig und regelmäßig ein. Es wurde zunächst der Verdacht auf
einen ischämischen Schlaganfall geäußert. Ein MRT zeigte eine Läsion des Pons links
sowie des Pedunculus cerebri. Im Diffusion Tensor Imaging (DTI) zeigte sich eine signifikant
reduzierte fraktionelle Anisotropie des Hirnstamms, hinweisend auf eine Störung der
Faserintegrität. In den folgenden Monaten stellte sich der Patient mit immer neuen
Symptomen und einer raschen Progredienz der Beschwerden vor. Es kam zu progredienter
Sehstörung, Tetraparese und Dysphagie. Therapieversuche mit Glukokortikoiden, Cidofovir
und Antibiotika blieben erfolglos. Das letzte MRT zeigte Läsionen im Tractus corticospinalis,
des Tractus opticus, der Capsula interna, des Pons und des Pedunculus cerebri. Der
Patient verstarb fünf Monate nach Beginn der Symptome.
Im Liquor und im Serum war keine HIV-RNA nachweisbar. Der niedrigste Wert CD4-positiver
Zellen betrug 437/µl eine Woche vor dem Tod des Patienten, die anderen Laborbefunde
zeigten keine Hinweise auf eine Immunschwäche. Es fanden sich keine Hinweise auf eine
opportunistische Erkrankung. Die Obduktion zeigte eine schwere vakuoläre Myelopathie
und Leukenzephalopathie der Medulla oblongata und des Tractus corticospinalis.
Diskussion: Wir stellen hier den Fall einer rasch fortschreitenden Erkrankung mit überwiegender
Manifestation in der Pyramidenbahn und im Hirnstamm ohne offensichtlichen Immundefekt
oder opportunistische Erkrankungen bei einem Patienten mit einer serologisch nachgewiesenen
HIV-Infektion vor. Bei Patienten mit eine HIV-Infektion und passenden neurologischen
Symptomen sollte auch bei gutem Immunstatus und konsequenter HAART an diese seltene
HIV-Manifestation als Motoneuronerkrankung gedacht werden.