Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P534
DOI: 10.1055/s-0029-1238628

Eine schwere und rasch fortschreitende Erkrankung der Pyramidenbahn und des Hirnstamms – Motoneuronerkrankung als Folge einer HIV-Infektion

H Wersching 1, I Kleffner 1, W Schwindt 1, K Keyvani 1, M Deppe 1, IW Husstedt 1
  • 1Münster

Hintergrund: Motoneuronerkrankungen sind eine seltene Folge einer HIV-Infektion. Wie stellen den Fall eines Patienten vor, der an einer schweren und rasch fortschreitenden HIV-assoziierten Erkrankung mit Beteiligung des Hirnstamms und des Myelons verstarb, ohne Hinweise auf eine weiter HIV-assoziierte Erkrankung oder einen laborchemisch messbaren Immundefekt zu zeigen.

Fallbeschreibung: Ein 37 Jahre alter Patient stellte sich mit Dysarthrie und Ungeschicklichkeit der rechten Hand vor. Eine HIV-Infektion war fünf Jahre zuvor serologisch diagnostiziert worden, er befand sich im CDC-Stadium A1. Die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) nahm er zuverlässig und regelmäßig ein. Es wurde zunächst der Verdacht auf einen ischämischen Schlaganfall geäußert. Ein MRT zeigte eine Läsion des Pons links sowie des Pedunculus cerebri. Im Diffusion Tensor Imaging (DTI) zeigte sich eine signifikant reduzierte fraktionelle Anisotropie des Hirnstamms, hinweisend auf eine Störung der Faserintegrität. In den folgenden Monaten stellte sich der Patient mit immer neuen Symptomen und einer raschen Progredienz der Beschwerden vor. Es kam zu progredienter Sehstörung, Tetraparese und Dysphagie. Therapieversuche mit Glukokortikoiden, Cidofovir und Antibiotika blieben erfolglos. Das letzte MRT zeigte Läsionen im Tractus corticospinalis, des Tractus opticus, der Capsula interna, des Pons und des Pedunculus cerebri. Der Patient verstarb fünf Monate nach Beginn der Symptome.

Im Liquor und im Serum war keine HIV-RNA nachweisbar. Der niedrigste Wert CD4-positiver Zellen betrug 437/µl eine Woche vor dem Tod des Patienten, die anderen Laborbefunde zeigten keine Hinweise auf eine Immunschwäche. Es fanden sich keine Hinweise auf eine opportunistische Erkrankung. Die Obduktion zeigte eine schwere vakuoläre Myelopathie und Leukenzephalopathie der Medulla oblongata und des Tractus corticospinalis.

Diskussion: Wir stellen hier den Fall einer rasch fortschreitenden Erkrankung mit überwiegender Manifestation in der Pyramidenbahn und im Hirnstamm ohne offensichtlichen Immundefekt oder opportunistische Erkrankungen bei einem Patienten mit einer serologisch nachgewiesenen HIV-Infektion vor. Bei Patienten mit eine HIV-Infektion und passenden neurologischen Symptomen sollte auch bei gutem Immunstatus und konsequenter HAART an diese seltene HIV-Manifestation als Motoneuronerkrankung gedacht werden.