Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P532
DOI: 10.1055/s-0029-1238626

Neurosarkoidose – ein klinisches Chamäleon

A Thümen 1, S Müller 1, H Henningsin 1
  • 1Lüneburg

Bei einem 58-jährigen Pat. wurden im Alter von 23 Jahren vergrößerte Halslymphknoten festgestellt. Eine Biopsie ergab die histologische Diagnose einer Tuberkulose, ohne dass eine Lungenbeteiligung bestand. Seit 2004 trat eine progrediente Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Gewichtsreduktion, Nachtschweiß, subfebrile Temperaturen, myopathische Schmerzen) auf. Unter dem Verdacht einer Polymyalgia rheumatica wurde 2005 eine Cortisontherapie eingeleitet, die zu einem raschen Rückgang aller Beschwerden führte. Nach Absetzen der Medikation 2006 traten die Beschwerden erneut auf. Es folgten Behandlungen einer Oesophagitis und Pankreatitis. Eine stationäre rheumatologische Aufnahme führte zu keiner Diagnose; es wurden lediglich histologisch eine chronische Pankreatitis und eine paraduodenale lymphatische Hyperplasie beschrieben. 2007 erfolgte eine Beckenkammpunktion bei unklarer mikrozytärer Anämie, die widerrum Zeichen einer chronischen Entzündung ergab. 2008 wurde ein cMRT veranlasst, dass supra- und infratentorielle T2-Hyperintensitäten ohne KM-Aufnahme zeigte.

Nun stellte sich der Pat. mit einer progredienten Meningoenzephaloradikuloneuritis vor. Im Labor zeigte sich ein SIADH sowie eine mäßig beschleunigte BSG. Im Liquor bestand eine lymphomonozytäre Pleozytose mit einer deutlichen Erhöhung des Albuminquotienten und einer autochtonen 3-Klassen-Reaktion. Im CT-Thorax wurden postentzündliche Residuen sowie verkalkte Hiluslymphknoten beschrieben. Elektrophysiologisch wurden ubiquitär Fibrillationen und PSW sowie F-Wellen-Verzögerungen beschrieben. Die umfangreiche Zusatzdiagnostik zeigte keine weiteren pathologischen Befunde, einschl. eines Mendel-Mantoux-Testes und der ACE-Bestimmung im Liquor und Serum.

Die im Längsschnitt vielgestaltige Symptomatik einer chronischen Entzündung mit vergrößerten Lymphknoten und pulmonalen postentzündlichen Residuen in Verbindung mit dem wegweisenden Liquorbefund einer lymphomonozytären Pleozytose mit deutlicher Schrankenstörung und autochthoner 3-Klassen-Reaktion führte zu der Diagnose einer Neurosarkoidose bei langjähriger systemischer Sarkoidose. Dabei war die Deutung des Liquorbefundes richtungsweisend für die Diagnose und Therapie. Unter der begonnenen Cortisontherapie besserte sich das Krankheitsbild in kurzer Zeit. Aufgrund der bereits langen Krankheitsgeschichte wurde zudem eine langfristige Immunsuppression angestrebt, wobei bei verminderter TPMT-Aktivität eine Behandlung mit Mycophenolatmofetil empfohlen wurde.