Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P486
DOI: 10.1055/s-0029-1238580

Kontrollierte, prospektive Studie zur Stressverarbeitung und Copingstrategien bei Beginn einer immunmodulatorischen Therapie bei neu diagnostiziertem klinisch isolierten Syndrom und schubförmiger Multipler Sklerose

K Hülsmeier 1, AS Wellek 1, B von Hagen 1, B Himmel 1, C Eienbröker 1, I Jackl 1, J Esters 1, WH Oertel 1, A Hermsen 1, N Sommer 1, B Tackenberg 1
  • 1Marburg, Göppingen

Einleitung: Patienten, die an Multipler Sklerose leiden, sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Krankheitsgeschichte Stress ausgesetzt. Als einen solchen Stressor kann die Diagnosestellung, aber auch andere einschneidende Ereignisse wie z.B. rezidivierende Krankheitsschübe oder die Einleitung einer immunmodulatorischen Therapie gelten. Im Rahmen der vorzustellenden prospektiven, kontrollierten Studie wurden Stresserleben und Copingstrategien nach Einleitung eine immunmodulatorischen Therapie mit Interferon-β 1b über 12 Monate seriell untersucht und mit Patienten, die sich gegen eine Therapie entschieden hatten, verglichen.

Methoden: 64 Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) verdächtig auf MS oder neu diagnostizierter schubförmiger MS (RR-MS) wurden über einen Zeitraum von 18 Monaten rekrutiert. Alle Patienten hatten eine Indikation für den Beginn einer immunmodulatorischen Therapie mit Interferon-β 1b. Nach standardisiertem ärztlichen Aufklärungsgespräch entschieden sich 41 Patienten (n=15 CIS, n=26 RR-MS) für die Durchführung einer immunmodulatorischen Therapie. 21 Patienten (n=1 CIS, n=20 RR-MS) entschieden sich dagegen und wurden in die unbehandelte Kontrollgruppe eingeschlossen. Bei allen Patienten wurden in dreimonatlichem Abstand über ein Jahr Studienvisits durchgeführt. Neben der Expanded Disability Status Scale (EDSS) und dem Multiple Sclerosis Functional Composite (MSFC) wurden Daten zur Stimmungslage, der Lebensqualität, des Eigenantriebs und zur Krankheitsverarbeitung mittels folgender neuropsychologischer Fragebögen erhoben. BDI, HADS, MFIS, FSS, SVF78, IES, SCL-90-R, SF-36. In einer Interimanalyse wurden mittels deskriptiver Statistik die baseline und 6 Monatsdaten ausgewertet.

Ergebnisse: Das allgemeine Stressniveau zeigte sich bei Patienten, die sich gegen eine Therapie entschieden haben niedriger als in der Behandlungsgruppe. Darüber hinaus waren Depressivität und Angst geringer in der unbehandelten Kontrollgruppe geringer ausgeprägt. Bagatellisierung und Vermeidung war häufiger in der Kontrollgruppe.

Schlussfolgerung: Die Interimanalyse legt den Schluss nahe, dass die Einleitung einer immunmodulatorischen Therapie einen stressbegünstigenden Faktor darstellt. Patienten, die sich gegen die Einleitung einer Therapie entschieden haben, zeigen geringere Neigung zu Depressivität oder Angst. Möglicherweise spielen größere Bagatellisierungstendenzen und Vermeidungsverhalten als Copingstrategien hier eine erklärende Rolle.