Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P475
DOI: 10.1055/s-0029-1238569

Dysarthrie bei Patienten mit progressiver nucleärer Blickparese im Vergleich zu Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom

W Visser 1, M Balke 1, U Schlegel 1, S Skodda 1
  • 1Bochum

Einleitung: Neben den typischen Symptomen einer Okulomotorikstörung, Gangstörung und eines axial betonten Rigors leiden Patienten mit progressiver supranucleärer Blickparese (PSP) häufig unter einer „hypokinetischen Dysarthrie“. Ziel unserer Studie war die objektive Messung verschiedener Aspekte der Dysarthrie bei PSP im Vergleich zu Patienten mit idiopathischem Parkinson-Synrom (IPS) unter der Fragestellung, ob sich unterschiedliche Dysarthrie-Muster definieren lassen, die Aufschluss über die zugrundeliegende Pathophysiologie geben und differenzialdiagnostisch von Nutzen sein können.

Patienten und Methoden: 18 Patienten mit PSP und 30 altersgematchte Patienten mit IPS wurden klinisch-neurologisch und mittels eines standardisierten Sprechprogramms untersucht. Mittels akustischer Analyse wurden unterschiedliche Sprechparameter zur Beschreibung von Phonation (jitter, shimmer, noise-to-harmonics ratio (nh-r)), Intonation (F0SD), Sprechtempo (Nettosprechrate (NSR), Pausen-Ratio (%PR)) und Artikulation (Anteil der Sprechpausen in mehrsilbigen Wörtern (Pinw%)) gemessen.

Ergebnisse: Sämtliche untersuchten Sprechparameter zeigten signifikante Unterschiede zwischen PSP und IPS, sowohl hinsichtlich Stimmqualität (jitterPSP: MW 2,01/SD 1,61; jitterPD: MW 1,20/SD 0,94, p=0,027; shimmerPSP: MW 8,07/SD 3,63; shimmerPD: MW 5,52/SD 4,05, p=0,005; nh-rPSP: MW 0,038/SD 0,032; hn-rPD: MW 0,021/SD 0,022, p=0,040), als auch hinsichtlich Intonation (F0SDPSP: MW 9,53Hz/SD 2,77; F0SDPD: MW 22,62Hz/SD 4,30, p=0,001), Sprechtempo (NSRPSP: MW 4,61 syl/s/SD 1,01; NSRPD: MW 5,27 syl/s/SD 0,55, p=0,008; PR%PSP: MW 23,02/SD 15,84; PR%PD: MW 14,90/SD 4,53, p=0,030), und Artikulationsschärfe (Pinw%PSP: MW 11,69/SD 8,73; Pinw%PD: MW 21,27/SD 10,61, p=0,004).

Zusammenfassung: Im Vergleich zu Patienten mit IPS zeichnet sich die Dysarthrie bei PSP-Patienten durch eine beeinträchtigte Stimmqualität, eine Reduktion von Intonation und Sprechgeschwindigkeit, einen erhöhten Anteil von Sprechpausen sowie eine verminderte Artikulationsschärfe aus. Unter der Voraussetzung, dass sich dieses charakteristische Dysarthrie-Muster durch weitere Studien mit größeren Probandenzahlen bestätigen lässt, stünde mit der Sprechanalyse eine Untersuchung zur Differenzialdiagnose und Verlaufs- und Therapiekontrolle der Sprechstörung bei PSP zur Verfügung.