Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P454
DOI: 10.1055/s-0029-1238548

Veränderte Co-Aktivität intrinsischer Hirnnetzwerke bei Patienten mit somatoformer Schmerzstörung

A von Kalckreuth 1, C Sorg 1, S Neufang 1, M Valet 1, H Gündel 1, TR Tölle 1, AM Wohlschläger 1
  • 1München, Hannover

Die somatoforme Schmerzstörung (SFS) ist charakterisiert durch ein chronisches Schmerzsyndrom, welches durch somatische Ursachen nicht hinreichend erklärbar ist. Bei solchen Patienten ist die Co-Aktivität innerhalb des Default-Netzwerks (DN) unter Schmerzbedingungen charakteristisch verändert (Baliki 2008). Das DN ist ein intrinsisches Hirnnetzwerk, d.h. es zeigt synchronisierte fMRT-Signal Aktivität (=Co-Aktivität). Es wird deaktiviert unter Aufmerksamkeitsbedingungen und erstreckt sich über medial präfrontale, posterior cinguläre und lateral parietale Regionen. Für Patienten mit SFS stellen sich zwei Fragen: (i) Sind neben dem DN noch andere intrinsische Hirnnetzwerke verändert? (ii) Wie beeinflussen Aufmerksamkeitsprozesse die Co-Aktivität des DN?

Im Rahmen eines 2×2 faktoriellen Designs mit den Faktoren Hitzeschmerzstimulation und Stroop-Aufmerksamkeitstest untersuchten wir 13 Frauen mit SFS und 13 gesunde, altersvergleichbare Frauen mittels fMRT. Die Co-Aktivität der intrinsischen Hirnnetzwerke wurde mithilfe der „independent component analysis“ (ICA) analysiert. Die Gruppenstatistik wurde als 2×2x2 ANOVA modelliert mit den interessierenden Effekten: Haupteffekt Gruppe (Signifikanzniveau p<0,5, family-wise-error (FWE) korrigiert) und Interaktionseffekt Gruppe x Aufmerksamkeit (p<0,05, cluster level-korrigiert).

Wir identifizierten acht intrinsische Hirnnetzwerke: posteriores DN, ventromedial präfrontales DN, insulär-anterior cinguläres Netzwerk, fronto-parietales Aufmerksamkeitsnetzwerk, dorsolateral präfrontales Netzwerk, rechtsseitiges fronto-parietales Aufmerksamkeitsnetzwerk, somatosensorisches Netzwerk, visuelles Netzwerk. Für die Patientinnen fanden wir im ventromedialen präfrontalen DN verstärkte Co-Aktivität sowie im posterioren DN und fronto-parietalen Aufmerksamkeitsnetzwerk reduzierte Co-Aktivität. In Bezug auf die Aufmerksamkeitsleistung unterschieden sich die Gruppen nicht. Im posterioren Cingulum des posterioren DN zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt.

Bei den Patienten fällt eine gestörte Architektur intrinsischer Hirnnetzwerke auf. Insbesondere im ventromedialen DN zeigen die Patienten eine auffallende Erhöhung der Co-Aktivität. Der ventromediale präfrontale Kortex spielt eine zentrale Rolle bei selbstreferentiellen und emotionsregulierenden Prozessen (Gusnard 01). Störungen in diesen Prozessen könnten mit der Entwicklung und Aufrechterhaltung eines chronischen Schmerzsyndroms im Rahmen einer SFS zusammenhängen.