Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V420
DOI: 10.1055/s-0029-1238514

Kongenitales Immundefizienz-Syndrom und Sarkoidose?

A Spur 1, R Baumgartner 1, M Wennrich 1, C Klötzsch 1
  • 1Singen

Fragestellung: Patienten mit angeborenen Immundefizienz-Syndromen haben durch intermittierende Immunglobulinsubstitution inzwischen eine deutlich verbesserte Lebenserwartung. Trotzdem kann auch der Neurologe mit ungewöhnlichen Komplikationen dieser Erkrankung konfrontiert werden.

Methoden: Es wird der Fall eines 29-jährigen Mannes mit x-chromosomal rezessiv vererbtem Hyper-IgM-Syndrom (bei IgG-, IgA-, IgE-Mangel) vorgestellt, der kutane Veränderungen (Gesicht, Arm, Pharynx) entwickelte, die auswärtig bioptisch als kutane Sarkoidose diagnostiziert wurden. Unter 60mg Prednisolon-Gabe über 8 Wochen verschlechterte sich der Zustand des Patienten mit Schluckstörung und allgemeiner Leistungsminderung.

Ergebnisse: Die stationäre Aufnahme erfolgte wegen eines fokalen Anfalls mit Spracharrest und nachfolgender latenter Hemiparese rechts. Im Liquor zeigte sich eine lymphozytäre Pleozytose von 50/3 (Kontrolle 82/3), Lactat 3,6mmol/l (n<2,4), ACE 16U/L (n<3,8), β-2-Mikroglobulin erhöht, TBC-PCR negativ. Kernspintomographisch zeigten sich vier punktförmige Diffusionsstörungen im Marklager beidseits. Wegen des für eine Neurosarkoidose untypischen Befundes erfolgte eine Biopsie der exophytischen Schleimhautveränderung an der Rachenhinterwand. Diese zeigte ebenso wie die dann eintreffenden Ergebnisse der Liquorkultur eine Kryptokokkose. Im Tuschepräparat ließen sich bei der Repunktion auch im Liquor Cryptococcus neoformans nachweisen. Unter i.v.-Gabe von liposomalem Amphotericin B und Levetiracetam 1000mg/Tag wurde der Patient bis auf eine leichte Dysphagie beschwerdefrei. Allerdings entwickelte er eine Leukopenie bis 2.200/mikrol, was dreimalige Neupogen-Gaben (48/30/30 Mio E) erforderlich machte. Durch IVIG-Gabe wurde der IgG-Titer bei 7mg/dl gehalten. Wegen rezidivierender Fieberspitzen wurde die Antibiose um Ceftriaxon 4g/Tag und Ampicillin 12g/Tag erweitert. Auf Wunsch der erstbehandelnden universitären Abteilung für Immunologie erfolgte dann die Verlegung dorthin. Der weitere Verlauf wurde durch eine kutane MRSA-Besiedlung sowie ESBL-Nachweis im Urin kompliziert. Der Patient verstarb an den Folgen einer hypoxischen Hirnschädigung im Rahmen eines Grand mal-Status.

Schlussfolgerungen: Auswärtige bioptische „Klärungen“ von Krankheitsbildern sollten inbesondere dann hinterfragt werden, wenn die Diagnose (hier: T-zell-vermittelte Sarkoidose) nicht zur Grunderkrankung (hier: angeborenes Hyper-IgM-Immundefizienz-Syndrom) passt.