Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V419
DOI: 10.1055/s-0029-1238513

Reversibles Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom bei Hyperglykämie und Normoosmolarität

S Troll 1, W Dietrich 1, T Schrauzer 1, S John 1, F Erbguth 1
  • 1Nürnberg

Das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom (OMS) wird in der Literatur überwiegend als paraneoplastisches Syndrom beschrieben. Seltenere Manifestationen finden sich im Rahmen von Infektionen (z.B. HIV, Hepatitis), Autoimmunerkrankungen (z.B. Zöliakie, Sarkoidose) oder als unerwünschte Medikamentennebenwirkung (z.B. Lithium, Antiepileptika, Amitriptylin). Wenige Kasuistiken beschrieben das Auftreten eines OMS im hyperosmolaren Koma. Erkenntnisse aus der funktionellen Bildgebung legen nahe, dass eine Übererregbarkeit des Nucleus fastigii im Kleinhirn pathophysiologisch eine Rolle spielen könnte.

Im Januar 2009 wurde eine 58-jährige Patientin auf die nephrologische Intensivstation aufgenommen, da sie durch einen akut aufgetretenen lebhaften Opsoklonus mit unwillkürlichen rotatorischen, horizontalen und vertikalen Blicksakkaden sowie durch lebhafte Myoklonien der linken Extremitäten im Sinne eines OMS auffällig geworden war. Bei der Patientin war ein pulmonal und lymphonodulär metastasiertes Plattenepithelkarzinom des Oropharynx (UICC III) mit abgeschlossener Radiochemotherapie und aktuell palliativ-medizinischer Betreuung bekannt. Ferner litt die Patientin an einer chronischen Niereninsuffizienz Stadium III nach Nephrektomie rechts aufgrund Nierenzellkarzinom 1998. Anamnestisch bestand über Jahre ein Alkohol- und Nikotinabusus. Zum Aufnahmezeitpunkt bestand im Rahmen der Erstmanifestation eines Diabetes mellitus Typ 2 eine Hyperglykämie von 1121mg/dl (Norm <110mg/dl) bei Normoosmolarität (300 mosmol/l, gemessen) durch water-shift-Hyponatriämie (115mmol/l). Unter der primären Annahme eines paraneoplastischen Syndroms erfolgte eine Liquorpunktion, die ebenso wie die Testung auf onkoneuronale Antikörper (Hu, Ri, Yo, Amphipysin) unauffällige Befunde erbrachte. Bildgebend und elektroenzephalographisch wurden keine Auffälligkeiten gefunden. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem metabolischen Ausgleich besserten sich die Myoklonien ebenso wie der beobachtete Opsoklonus. Letztlich sistierten die Symptome innerhalb von 24 Stunden vollständig und traten unter Euglykämie nicht mehr auf. Wir halten die Assoziation des OMS mit der akut aufgetretenen normoosmolaren Hyperglykämie für wahrscheinlich, was in der Literatur noch nicht beschrieben wurde. Pathophysiologisch könnte sich im Rahmen der Hyperglykämie ein paraneoplastisches OMS demaskiert haben. Die oben beschriebenen Symptome traten im Beobachtungszeitraum von vier Wochen nicht erneut auf.