Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M384
DOI: 10.1055/s-0029-1238499

Was macht alt? Bedeutung des höheren Lebensalters für das Ergebnis nach Thrombolyse

PA Ringleb 1, M Böttinger 1, A Hug 1, R Veltkamp 1
  • 1Heidelberg

Hintergrund: Die europäische Zulassung von Alteplase (rtPA) schließt Hirninfarkt-Patienten mit einem Lebensalter von mehr als 80J. von der Thrombolysetherapie aus, da nur sehr wenige Patienten dieses Alters in randomisierten Schlaganfallstudien behandelt wurden. Systematische Übersichtsarbeiten weisen auf eine geringere Effektivität als bei jüngeren Menschen bei ähnlichem Behandlungsrisiko in Bezug auf symptomatische intrakranielle Blutungen hin (e.g. Ringleb et al, JNNP 2007). In vielen Kliniken werden Patienten über 80 Jahren im Rahmen individueller Heilversuche behandelt. Wir analysierten unsere hausinterne Datenbank auf Prädiktoren für ein gutes klinisches Outcome bei Lyse-Patienten jenseits des 80. Lebensjahres.

Methodik: Seit 1999 führen wir eine prospektive Datenbank, in der alle Lysepatienten mit ihren wesentlichen klinischen Kenngrößen erfasst werden. Die Nachbeurteilung erfolgt nach 3 Monaten anhand der modifizierten Rankin Skala (mRS). Die vorliegende retrospektive Auswertung beschränkte sich auf Patienten über 80 Jahren. Als gutes klinisches Outcome wurde ein Wert auf der mRS zwischen 0 und 2 gewertet. Für diesen Endpunkt sowie die Mortalität wurden mittels logistischer Regressionsanalyse prädiktive Parameter selektiert.

Ergebnisse: Bis Ende 2008 wurden 180 Patienten (54Männer) zwischen 80 und 98 Jahren (Median 84J.) mittels systemischer Thrombolysetherapie behandelt (medianes Zeitfenster 140 Min [42–820], medianer NIHSSS 15 [2–37]). Symptomatische intrakranielle Blutungen nach der ECASS2-Definition traten bei 7 Patienten (3,9%) auf. Nach 3 Monaten hatten 48 Patienten (26,7%) ein gutes Outcome, die Mortalität betrug 33,9%. In der multivariaten Analyse hatte nur der NIHSSS vor Therapie einen signifikanten Einfluss auf das klinische Outcome (OR 0,79; 95%CI 0,72–0,86). Ein Schwellenwert von 14 trennt am besten zwischen einer Gruppe mit guter von einer mit sehr schlechter Chance: von den 94 Patienten mit einem NIHSSS über 14 hatten nur 5 (5,3%) ein gutes klinisches Outcome nach 3 Monaten. Für den Endpunkt Mortalität war neben dem NIHSSS (OR 1,21; 95%CI 1,12–1,30) auch noch die Leukozytenzahl (OR 1,63; 95%CU 1,05–1,29) prädiktiv.

Schlussfolgerung: Das Risiko symptomatischer Hirnblutungen nach systemischer Lysetherapie ist auch bei Patienten über 80 Jahren gering. Vor allem Patienten mit einem mittelschweren Schlaganfallsyndrom haben eine gute Chance auf ein unabhängiges funktionelles Outcome.