Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M380
DOI: 10.1055/s-0029-1238495

Schlaganfall: Inflammation, Immundepression, Infektion

U Dirnagl 1
  • 1Berlin

Fokale cerebrale Ischämie führt zu einer komplexen Interaktionen des hirneigenen und peripheren innaten Immunsystem, des adaptiven Immunsystems, sowie der primären Zellen des Gehirns (Neuronen, Astrozyten, Oligodendrozyten). Innerhalb von wenigen Stunden nach Einsetzen der Perfusionminderung kommt es zur Aktivierung von lokalen Entzündungsmechanismen im Gehirn, und Immunzellen wandern aus dem Blut in das Gehirn ein. Vermittelt durch das sympathische Nervensystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse kommt es zur Verminderung der Zellularität und Funktionalität von Lymphozyten in den lymphatischen Organen und im Blut, wodurch das Infektionsrisiko steigt. Immundepression und Inflammation haben dabei teils gegenläufige Effekte, welche destruktiv (sekundäres Infarktwachstum, Infektion) oder adaptiv (Resorption von zerstörtem Gewebe, Regeneration, Verhinderung von Autoaggression) sein können. Diese Effekte sind Zeit-, Ort-, und Kontext-abhängig, weshalb pauschale 'Antiinflammation' oder 'Immunstimulation' zu unerwünschten Ergebnissen führen kann. Ein tieferes Verständnis der komplexen Zusammenhänge von Immunsystem und Gehirn ist hierbei ebenso erforderlich wie diagnostische Verfahren, welche die pathophysiologischen Vorgänge im Gehirn in der Folge einer fokalen Perfusionsminderung mit Gewebeschaden dargestellen können, und dadurch gezielt therapiert werden kann. Dann allerdings besteht die Hoffnung, durch spezifische therapeutische Interventionen das verzögerte Wachstum von Infarkten zu inhibieren, Infektionen zu verhindern, und regenerative Prozesse zu induzieren.