Eine Torsion des Myelons um seine Achse ist eine seltene Anomalie. Nur zwei Fälle
wurden in der Literatur bis dato beschrieben (Morley, 1953 und Tuli et al, 1998).
Im ersten Fall handelte sich um einen 54-jährigen Patienten mit congenitaler Myelotorsion
und im zweiten Fall um einen 44-jährigen Patienten mit thorakaler Lipomatose, Skoliose
und Kyphose, bei dem die Autoren diskutiert haben, ob die Myelotorsion sekundär zu
der knöchernen Veränderungen der Wirbelsäule entstanden war.
Wir berichten über den Fall einer 36-jährigen Patientin mit unspezifischen neurologischen
Erscheinungen (Schwindel, Schwäche) als Aufnahmengrund, bei der eine Torsion des Myelons
um 90° im Uhrzeigersinn diagnostiziert wurde. Aus der Vorgeschichte war seit der Pubertät
eine linksbetonte Schwäche der Handmuskulatur bekannt, weswegen eine operative Volarverlagerung
des N. ulnaris links in der Annahme eines Sulcus-ulnaris-Sydroms durchgeführt worden
war.
Klinisch bot die Patientin eine deutliche Atrophie der Unterarm- und Handmuskulatur
beidseits ohne Sensibilitätsstörungen, eine Hyporeflexie an den Armen und eine Hyperreflexie
an den Beinen ohne Pyramidenbahnzeichen.
Kernspintomographisch wurde eine Torsion des Myelons samt Duralsack festgestellt,
welche sich in kraniokaudaler Richtung über dreizehn Wirbelkörper ausdehnte ohne Nachweis
einer Raumforderung oder Fixierung des Myelons. Zusätzlich bestand eine Erweiterung
des Zentralkanals im Sinne einer Syringomyelie. Auf Höhe der Wurzeln C6–8 stellten
sich kleinherdige Läsionen in der grauen Substanz auf beiden Seiten des Zentralkanals
dar, welche als Ursache der Atrophie der Armmuskulatur gelten könnten.
Elektroneurographisch wurde eine Neuropathie des (operierten) N. ulnaris links diagnostiziert,
die übrigen peripheren Nerven erbrachten einen unauffälligen Befund. In der Nadelelektromyografie
des M. brachioradialis rechts, M. abductor digiti minimi rechts, M. extensor digitorum
communis beidseits und M. opponens pollicis beidseits wurden Zeichen chronischer neurogener
Umbauvorgänge dokumentiert.
Es bleibt zu diskutieren, ob die kongenitale Myelotorsion aufgrund der veränderten
Hydrodynamik des Myelons zu einer Liquorzirkulationstörung und zu einer Erweiterung
des Zentralkanals geführt hat. Andererseits werden bei ähnlichen Anomalien des Myelons
Störungen der Blutversorgung der grauen Substanz beschrieben, welche eine Myelopathie
oder einen Präsyrinx-Status hervorrufen können.