Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V353
DOI: 10.1055/s-0029-1238478

Pulsatiler Liquorfluss durch das Myelon – ein neuer Pathomechanismus zentromedullärer Symptome der spondylogenen zervikalen Myelopathie

A Haaß 1, N Ernst 1, P Papanagiotou 1, M Backens 1, T Pitzen 1, WI Steudel 1, EI Bogdanov 1
  • 1Homburg/Saar; Kazan, RUS

Der pulsatile Liquorfluss im Subarachnoidalraum (SAS) des Spinalkanals ist im Gegensatz zur Syringomyelie ein wenig bekannter Pathomechanismus bei der spondylogenen cervicalen Myelopathie (SCM). Erstmals konnten wir zeigen, dass der Liquor (CSF) oberhalb der Spinalkanalstenose vom SAS direkt in das Myelon hinein und unterhalb wieder heraus in den SAS zurück fließen kann.

Methodik: Die systolische Zunahme des zerebralen Blutvolumens drückt CSF aus dem zerebralen SAS in den spinalen SAS und die diastolische Abnahme lässt ihn wieder zurückfließen. Mithilfe des EKG-getriggerten Phasenkontrast-MRT wurde dieses pulsatile CSF-Flussvolumen in ml/s und die CSF-Flussgeschwindigkeit in cm/s quantitativ bestimmt (n=14).

Ergebnisse: Vor Op litten die Patienten unter folgenden zentromedullären Symptomen: Flächige, nicht radikulär zuzuordnende brennende Missempfindungen und Schmerzen im Bereich der Arme u. des Nackens, Gürtelgefühl im cervicothorakalen Übergang, Lhermitte-Zeichen, Claudicatio spinalis, vor allem in den Oberschenkeln, u. spinale Ataxie. Vor der Operation war in Höhe der Spinalkanalstenose das CSF-Flussvolumen im Myelon bei den Pat. auf das Doppelte signifikant gegenüber den Kontrollen erhöht (1,1+0,3 versus 0,5+0,2ml/s), während es vor u. nach der Stenose in beiden Gruppen gleich hoch war (0,56+0,2 versus 0,41+0,1u. 0,44+0,2 versus 0,46+0,1ml/s). Im SAS wurde das Flussvolumen in Höhe der Spinalkanalstenose bei den Pat. signifikant gedrosselt (1,6+1,0 versus 3,0+1,4ml/s). Vor und nach der Stenose war es nicht signifikant erniedrigt. Die CSF-Flussgeschwindigkeiten zeigten die gleichen Ergebnisse. Nach der Operation normalisierten sich alle Werte vollständig. Die klinischen zentromedullären Symptome bildeten sich bei 7 Pat. nahezu bzw. vollständig, bei 3 gut und bei einem nur befriedigend zurück. 7 Pat. zeigten in Höhe der Spinalkanalstenose im MRT-T2-Bild eine signalintensive Zone, die im T1-Bild hypointens war, und daher in Zusammenhang mit der CSF-Flussmessung einer Hydromyelie und keinem myelomalazischem Herd entsprach.

Zusammenfassung: Der Nachweis eines CSF-Flusses durch das Myelon bei der SCM erweitert unser Verständnis der perivaskulären Räume u. erklärt die zentromedullären Beschwerden u. die im MRT wiederholt sichtbare Hydromyelie schlüssiger als eine Schädigungseinwirkung nur von außen auf das Myelon. Für die Operation bietet der Nachweis eines CSF-Flusses durch das Myelon eine am Pathomechanismus orientierte Höhenlokalisation des relevanten Stenosebereiches.