Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M248
DOI: 10.1055/s-0029-1238438

Olfaktorische Modulation von Lernleistung bei Patienten mit einseitiger Schädigung des Kleinhirns oder des Thalamus

A Finkelmeyer 1, M Kronenbürger 1, U Habel 1
  • 1Aachen

Fragestellung: Der Einfluss olfaktorischer Reize (OR) auf kognitive und emotionale Prozesse ist in zahlreichen Studien nachgewiesen worden. Hierbei werden vorrangig die Verbindungen des olfaktorischen Systems zu limbischen und (prä)frontalen Arealen betont. In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Kleinhirns (KH) bei Riechprozessen in das Interessenfeld der Forschung gerückt. Wenig ist bekannt über die Beteilung des Thalamus beim Riechen. Um die Bedeutung dieser Strukturen bei der Interaktion von olfaktorischen mit emotional-kognitiven Prozessen zu spezifizieren, wurden Patienten mit einseitiger Schädigung des Thalamus oder des Kleinhirns mit einem Lernparadigma untersucht.

Methoden: 15 Patienten mit einseitiger Schädigung des KH und 12 Patienten mit einseitiger Thalamusschädigung wurden untersucht. In einer Lernphase wurden sequentiell Paare von Namen und Gesichtern präsentiert. Bei der Hälfte der Paare wurde ein OR (Schwefelwasserstoff) welcher von einem Olfaktometer erzeugt wurde über ein Nasenloch dargeboten. In der Testphase sollten die Patienten den korrekten Namen zum gezeigten Gesicht aus zwei Alternativen wählen. Patienten absolvierten 2 Durchgänge, bei denen jeweils ein anderes Nasenloch olfaktorisch stimuliert wurde. Der Anteil korrekt identifizierter Gesichter wurde getrennt nach Stimulationsseite und olfaktorischer Reizung berechnet und analysiert.

Ergebnisse: In der KH-Gruppe gab es eine Interaktion zwischen Stimulationsseite und olfaktorischer Reizung. Auf dem ipsilateral zur Läsion liegenden Seite wurden die Namen von Gesichtern, die mit OR dargeboten wurden besser wiedererkannt, als die, die ohne OR dargeboten wurden (63,2%, vs. 55,8%, p=0,023). Auf der kontralateral zur Läsion liegenden Seite zeigte sich kein Unterschied (56,4% vs. 57,8%, p=0,739). In der Gruppe der Patienten mit Thalamusläsionen gab es keinerlei signifikanten Effekte.

Schlussfolgerungen: Die in der KH-Gruppe gefundene Interaktion zwischen Stimulationsseite und olfaktorischer Reizung deutet darauf hin, dass bei einseitiger Schädigung des KH, kontralateral zur Schädigung dargebotene Düfte nicht mehr in der Lage sind, kognitive Funktionen zu beeinflussen, auch wenn der dargebotene Geruch bewusst wahrgenommen werden kann.

Dieser Effekt fand sich nicht bei Thalamusläsionen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Kleinhirn bei der Interaktion von olfaktorischen mit emotional-kognitiven Prozessen beteiligt ist, nicht jedoch der Thalamus selbst.