Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M246
DOI: 10.1055/s-0029-1238436

Riechfunktion bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom im Langzeitverlauf

B Herting 1, S Schulze 1, H Reichmann 1, A Hähner 1, T Hummel 1
  • 1Schwäbisch Hall, Dresden

Fragestellung: Riechstörungen sind ein häufiges Symptom bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS). Klinische Untersuchungen im Langzeitverlauf waren bisher nicht durchgeführt worden. Ziel der vorliegenden Studie war deshalb, erstmalig die Korrelation von Riechfunktion und Krankheitsdauer longitudinal über mindestens 3 Jahre zu dokumentieren.

Methode: Die Riechfunktion von 27 Patienten mit IPS wurde zu Beginn der Studie sowie nach 3–6 Jahren (im Mittel nach 4,4 Jahren) mit „Sniffin'Sticks“ untersucht und die Schwere der Riechstörung als Summe der erreichten Punktzahl in den Subtests „Schwelle“, „Diskrimination“ und „Identifikation“ als „SDI-Wert“ charakterisiert.

Ergebnisse: Das durchschnittliche Ergebnis der Riechtestung mit „Sniffin' Sticks“ lag bei Erstuntersuchung bei 17,5 Punkten (9–25,5), entsprechend einer schweren Hyposmie. Der Riechverlust war dabei unabhängig von Alter, Geschlecht, Dauer und Schwere des Parkinson-Syndroms. Bei der im Mittel nach 4,4 Jahren durchgeführten Zweituntersuchung wurde erneut ein durchschnittlicher SDI-Wert von 17,5 Punkten (8–29,5) dokumentiert, wobei eine Konversion von Anosmie zu Hyposmie bei 3 Patienten, eine Konversion von Hyposmie zu Anosmie bei 5 Patienten zu beobachten war.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Studie zeigt zum einen, dass sich die Riechstörung bei IPS-Patienten in nicht vorhersagbarer Weise verändert. Zum anderen fällt auf, dass vor allem bei der Zweituntersuchung relativ wenige IPS-Patienten komplett anosmisch waren (allerdings zeigte auch keiner eine Normosmie). Eine mögliche Erklärung gibt die Hypothese der Arbeitsgruppe Huisman et al. (Mov Disord. 2004, 19(6):687–92), die eine Zunahme von dopaminergen Neuronen im Bulbus olfactorius nachgewiesen hatten. Da Dopamin als Neurotransmitter in den Glomeruli des Bulbus olfactorius bei der Signalübermittlung zwischen olfaktorischen Rezeptorneuronen und Mitralzellen hemmend wirkt, könnte so die Hyposmie bei IPS-Patienten gut erklärt werden. Im Langzeitverlauf wäre vorstellbar, dass diese dopaminerge Inhibition mit der schwindenden Zahl der Neurone im Bulbus olfactorius wieder abnimmt.

Zusammenfassend ist offensichtlich die Riechfunktion von IPS-Patienten nach Manifestation der motorischen Defizite weitestgehend unabhängig von der Dauer der Grunderkrankung.