Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V223
DOI: 10.1055/s-0029-1238418

Sprachverbesserung bei chronischer Aphasie durch Kombination von intensivem Training mit transkranieller Gleichstromstimulation

A Flöel 1, MH de Vries 1, R Kirstein 1, S Nijhof 1, M Schomacher 1, S Knecht 1, C Breitenstein 1
  • 1Münster; Nijmegen, NL

Fragestellung: In der chronischen Phase der schlaganfallbedingten Aphasie wird durch konventionelle logopädische Therapie, d.h. Sprachtraining in einer Frequenz von 1–2/Woche, keine durchgreifende Sprachverbesserung mehr erzielt. Aus tierexperimentellen Untersuchungen entwickelte Ansätze wie das „massierte Üben“ sowie die transkranielle Gleichstromstimulation (englisch direct current stimulation, tDCS) könnten einen Ansatz zur effektiven und messbaren Verbesserung gestörter Funktionen darstellen. Eine signifikante Verbesserung von Sprachfunktionen durch intensives Training bei Aphasikern konnte von uns bereits gezeigt werden (1). Weiter fanden wir einen verstärkten Lernerfolg für den Erwerb eines neuen Vokabulars durch simultane anodale tDCS-Applikaton bei gesunden Probanden (2).

Methoden: In der aktuellen randomisierten, „sham“-kontrollierten, gekreuzten doppelblinden Studie fragten wir, ob sich durch Kombination von intensivem Sprachtraining mit tDCS der Wiedererwerb von Sprache nach Schlaganfall weiter steigern lässt. Bisher 8 chronische Aphasiepatienten (singulärer linkshemisphärischer Schlaganfall, >1/2 Jahr nach Ereignis; geplant 20 Patienten) wurden 3mal (Bedingung a, b, c) mit einem intensiven Benenntraining (jeweils 3 Tage, 2h/Tag, Perzeption und Produktion von jeweils 15 Objektnamen) untersucht. Simultan zum Training wurde (a) anodale tDCS über einem rechts-temporalen Areal appliziert, für das in einer vorausgegangenen Studie eine signifikante Zunahme der Aktivierung durch intensives Sprachtraining gezeigt wurde (3). Als Kontrollbedingung wurden 15 Wörter unter (b) kathodaler Stimulation bzw. (c) sham Stimulation gelernt.

Ergebnisse: Die Benennleistung aller Patienten verbesserte sich in allen 3 Trainingsbedingungen von null Prozent korrekter Benennungen auf im Mittel >50%. Der Erfolg unter anodaler tDCS war bei allen Patienten 5–15% höher als unter kathodaler und sham Stimulation (p=0,09).

Schlussfolgerungen: Die Kombination von intensivem Training mit anodaler tDCS führt zu einer Steigerung des Sprachlernerfolgs bei chronischen Aphasikern. Der Einschluss der noch ausstehenden 12 Patienten wird zeigen, ob sich ein signifikanter Gruppenunterschied demonstrieren lässt. Die tDCS, die einfach anwendbar und für den Patienten schmerzfrei und gefahrlos ist, könnte dann zu einer breit einsetzbaren adjuvanten Therapie in der klinischen Aphasierehabilitation entwickelt werden.