Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V222
DOI: 10.1055/s-0029-1238417

Integrität des Hippokampus prädiziert Verbesserungen der Benennleistung nach intensiver Sprachtherapie bei chronischer Aphasie

C Breitenstein 1, M Meinzer 1, S Mohammadi 1, H Schiffbauer 1, H Kugel 1, J Albers 1, R Menke 1, A Flöel 1, A Baumgärtner 1, K Kramer 1, S Knecht 1, M Deppe 1
  • 1Münster; Gainesville, USA

Der Hippokampus (HK) vermittelt Lernen und Gedächtnisbildung und fungiert dabei als Relaisstation, die graduelle Veränderung in der Großhirnrinde im Rahmen der Langzeitkonsolidierung steuert. Verschiedene aktuelle Studien legen eine Beteiligung des HK auch beim initialen Erwerb von lexikalischem und semantischem Wissen nahe. In späteren Stadien der Gedächtniskonsolidierung werden sekundäre assoziative kortikale Areale aktiviert. Analog konnte in jüngster Vergangenheit mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) gezeigt werden, dass bei chronischer Aphasie die unmittelbaren Verbesserungen nach intensiver Sprachtherapie eng mit gesteigerter Aktivierung des hippokampalen Netzwerks in Verbindung stehen. Die Langzeitstabilität der erzielten Verbesserungen war jedoch mit gesteigerter Aktivität in klassischen Spracharealen korreliert. Daher ist es vorstellbar, dass strukturelle Beeinträchtigungen des HK das Ausmaß der Verbesserung intensiver Sprachtherapie vorhersagen.

In der vorliegenden Studie wurde untersucht ob die strukturelle Integrität des HK und umgebender Fasern Verbesserungen nach intensiver Sprachtherapie vorhersagen. Hierzu wurde anhand der strukturellen T1-gewichteten MRT Aufnahmen von 10 Patienten mit chronischer Aphasie die Integrität des HK untersucht. Daneben wurde die Integrität der den HK umgebenden Faserverbindungen mittels diffusionsgewichteter Bildgebung (DTI) untersucht. Beide Maße wurden mit unmittelbaren Verbesserungen der Benennleistung nach 3-wöchiger intensiver Sprachtherapie und mit den Ergebnissen 8 Monate nach Therapieende korreliert.

Es konnten Volumenreduktionen bei 6/10 Patienten im linken HK aufgezeigt werden (9–16%). Die Integrität der umgebenden Faserstrukturen war bei allen Patienten substantiell reduziert (21–50%), ohne dass sich zystische Defekte im HK nachweisen ließen. Beide Maße prädizierten sowohl die unmittelbaren als auch die langfristigen Therapieerfolge (Volumetrie: unmittelbarer Lernerfolg r=0,65, p=0,04; langfristige Verbesserung: r=0,80, p=0,005; DTI: unmittelbarer Lernerfolg r=0,84, p=0,001; langfristige Verbesserung: r=0,83, p=0,002).

Diese Ergebnisse weisen daraufhin, dass durch hemisphärielle Läsionen eine Diskonnektion des HK auftreten kann, die direkten Einfluss auf seine strukturelle Integrität ausübt. Des Weiteren weist der vorliegende Befund auf die Bedeutung nicht-sprachspezifischer Hirnareale für den Wiedererwerb von Sprache bei chronischer Aphasie hin.