Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V58
DOI: 10.1055/s-0029-1238340

Erhöhung des Liquor/Serum-Albuminquotienten bei neurodegenerativen Erkrankungen: die Hyperkapnie als relevanter Einflussfaktor am Beispiel der Amyotrophen Lateralsklerose

SD Süssmuth 1, AD Sperfeld 1, AC Ludolph 1, H Tumani 1
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Hintergrund: Bei neurodegenerativen Erkrankungen lässt sich anhand der Liquordiagnostik in einem relevanten Prozentsatz (˜15–30%) eine Störung der Blut-Liquor-Schranke finden, die durch die Erhöhung des Albuminquotienten (Q-Alb) beschrieben ist. Die Ursachen dürften bei den unterschiedlichen neurodegenerativen Erkrankungen sehr heterogen sein. Neben der oft diskutierten Möglichkeit einer krankheits-assoziierten Schädigung der Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke mit vermehrtem Übertritt von Plasmaproteinen in den Liquorraum wurden eine Reihe von Faktoren identifiziert, die unabhängig vom Prozess der Neurodegeneration mit einer Schrankendysfunktion einher gehen. Trotzdem bleibt die konkrete Ursache noch meist unklar. Tierexperimentelle Daten weisen darauf hin, dass sich eine Erhöhung des Kohlendioxidgehalts im Blut (pCO2) ebenfalls auf die Funktion der Blut-Liquor-Schranke auswirkt. So vermuteten wir, dass gerade bei einer Motoneuronerkrankung wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), bei der es im Krankheitsverlauf durch die zunehmende Atemmuskelschwäche zu einer Hyperkapnie kommt, diese ein relevanter Faktor für die beobachtete Schrankenfunktionsstörung sein könnte.

Methoden: In unserer Klinik wurden von 168 konsekutiven Patienten mit einer vermuteten Motoneuronerkrankung 46 Patienten eingeschlossen, bei denen im selben Zeitraum eine Lumbalpunktion und eine Blutgasanalyse durchgeführt worden war und bei denen schließlich eine ALS diagnostiziert worden war. Die zu untersuchenden Parameter umfassten, neben dem Gesamtproteingehalt im Liquor, Q-Alb und den arteriellen CO2-Partialdruck. Zur statistischen Auswertung wurde der Spearman-Korrelationskoeffizient herangezogen und ein p<0,05 als signifikant angesehen.

Ergebnisse: Bei 13 ALS-Patienten fand sich eine Erhöhung des Q-Alb. Ein pathologisch erhöhter arterieller pCO2 (35–45mmHg) kam in 8 Fällen vor. Wir fanden eine signifikante Korrelation zwischen Q-Alb und dem pCO2 (r=0,45; p=0,001).

Schlussfolgerung: Der CO2-Gehalt im Blut scheint auch beim Menschen eine relevante Einflussgröße für die Funktion der Blut-Liquor-Schranke zu sein. Wir vermuten, dass es bei steigendem pCO2 im Blut zu einer verminderten Liquorsyntheserate kommt, wobei andere Mechanismen auch möglich sind. Bei Motoneuronerkrankungen sollte bei pathologischem Q-Alb diese mögliche Einflussgröße in Betracht gezogen und das Vorliegen einer Hyperkapnie bedacht werden.