Zentralbl Chir 2009; 134 - V3
DOI: 10.1055/s-0029-1238127

Vergleichende Untersuchung zum Stabilitätsverhalten humaner Tibiae nach Knochenentnahme

M Gerressen 1, A Ghassemi 1, J Saxe 2, D Riediger 1
  • 1Universitätsklinikum Aachen, KLinik für ZMKPG, Aachen, Germany
  • 2Zahnarztpraxis, Baesweiler, Germany

Das Stabilitätsverhalten der Tibia nach Knochenentnahme, insbesondere die für das Belastungsmuster der Tibia ausgesprochen wichtige Bruchlast bei axialer Kompression, ist bislang nur unzureichend untersucht. Aus diesem Grund führten wir eine vergleichende Untersuchung an 15 humanen Frischpräparaten im Alter von 51 bis 94 Jahren (Durchschnitt 76,8 Jahre) durch.

Zunächst wurde bei allen Präparaten nach der von JAKSE et al. (2001) angegebenen Knochendeckelmethode randomisiert jeweils aus einer Tibia eine maximale Menge spongiösen Knochens gewonnen. Nach Mazeration wurden die proximalen Tibiae bei allen Präparaten bilateral entnommen und auf exakt gleiche Längen angepasst. Mithilfe einer Zwick-Universalprüfmaschine (ZWICK, Ulm, Deutschland) wurden die Tibiaköpfe einer axialen Kompression bis zur Fraktur ausgesetzt, wobei ein planarer Belastungsteller aus Metall bei einer Vorlast von 10 N mit einem kontinuierlichen Vorschub von 0,6mm/s zum Einsatz kam. Als resultierende Bruchlast wurden die Kraftwerte beim ersten deutlichen Abfall der Vorschub-Kraft-Kurve registriert. Zum Vergleich der mittleren Bruchlastwerte zwischen operierter Tibia und nicht-operierter Kontrollseite wurde ein T-Test für verbundene Stichproben zum Signifikanzniveau a=5% eingesetzt. Erwartungsgemäß fiel die Bruchlast auf der operierten Seite mit durchschnittlich 3767 N signifikant geringer aus als auf der Kontrollseite mit im Mittel 5126 N. Verglichen mit der nicht operierten Seite, ist damit die Stabilität der Tibia auf 73,5% reduziert. Der Unterschied ist über das betrachtete Altersintervall konstant und zeigt keine Geschlechtsabhängigkeit. Die minimale Bruchlast der operierten Tibiaköpfe betrug 1034 N und entspricht damit einer statischen Belastung mit 105,4kg. Aus der Literatur ist bekannt, dass selbst beim normalen Gehen Kräfte in Höhe des 2- bis 4-fachen Körpergewichts auf das Kniegelenk einwirken.

Die Knochenentnahme aus der proximalen Tibia führt zu einer signifikanten Reduktion der axialen Bruchlast. Aus diesem Grund empfehlen wir eine Belastung mit maximal dem halben Körpergewicht in der ersten postoperativen Woche. In den folgenden fünf Wochen darf der Patient das operierte Bein nur beim Gehen in der Ebene mit vollem Körpergewicht belasten.