DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2009; 7(03): 1
DOI: 10.1055/s-0029-1233678
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

„Brüderschaft unabhängiger Denker”

Rainer Breul
,
Marina Fuhrmann
,
Karl-Ludwig Resch
,
Roger Seider
,
Peter Wührl
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 July 2009 (online)

A.T. Still bezeichnete in unveröffentlichten Notizen aus dem angehenden 20. Jahrhundert den osteopathischen Berufsstand als „Brotherhood of Independent Thinkers”. Dazu führt der amerikanische Osteopath Steve Paulus DO aus, dass sich die ersten Osteopathen unter der Ausgrenzung und Diskriminierung durch das etablierte medizinische System zu einer eingeschworenen Gemeinschaft etablieren mussten, ungeachtet persönlicher oder fachosteopathischer Meinungsunterschiede [1]. Nach der faktischen Anerkennung der Osteopathie in den USA war es dann natürlich mit der Einheit vorbei und der Kampf nach außen kehrte sich in einen Kampf nach innen. „Auseinanderstrebende Individuen der osteopathischen Gemeinschaft entwickelten sich zu einer professionellen Zentrifugalkraft – die sich immer mehr von ihren Quellen entfernte...”

Hierzulande gibt es eine vergleichbare Situation: Unter dem Wunsch sich als selbstständiger Berufsstand zu etablieren wurde in den letzten Jahren ein erfreulich respektvoller Umgang der Osteopathen untereinander gepflegt. Natürlich gab es unterschiedliche Ausbildungen, Philosophien oder politische Ziele wie auch persönliche Abneigungen. Die Arbeit an gemeinsamen Projekten hatte jedoch meist Vorrang vor der Austragung von Differenzen. Man hatte den Eindruck, Osteopathen bilden eine Zweckgemeinschaft.

Mit dem Frieden ist es leider seit Ende letzten Jahres vorbei. Auslöser für die Feindseligkeiten war die vom Land Hessen verabschiedete „Weiterbildungs– und Prüfungsordnung Osteopathie, WPO”. Diese regelt für einen Zeitraum von zunächst 5 Jahren den Zugang zum Titel „Staatlich geprüfter Osteopath”. Nun ist das so eine Sache, wenn der Gesetzgeber sich einer Sache annimmt, die dem Volk am Herzen liegt. Am Ende ist natürlich etwas anderes herausgekommen als uns Therapeuten vorschwebte. So war es aber auch in sämtlichen Ländern, in denen die Osteopathie inzwischen anerkannt ist, seien es die USA, England, Frankreich oder die Schweiz.

In Windeseile wurde der Gesetzestext von verschiedenen Seiten zerpflückt und kommentiert, häufig ohne einen juristischen Hintergrund. Verrat an der osteopathischen Idee sowie am künftigen Berufsstand wurde gemutmaßt. Der VOD stand schnell für viele als Schuldiger fest. Auffällig war, dass die Diskussion sofort auf einer hochemotionalen Ebene geführt wurde. Auf Websites, über E–Mails und sogar über die Schneckenpost wurde scharf aufeinander geschossen. Auch die DO wurde nicht verschont.

Es wird jetzt Zeit, einmal tief Luft zu holen und zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren. Natürlich ist es legitim, kontrovers zu diskutieren! Dazu will die DO ein Forum bieten. Herausgeber und Verlag haben deshalb einen unabhängigen Anwalt sowie einige wichtige Personen der osteopathischen Politszene gebeten, kurze prägnante Stellungnahmen abzugeben – zur WPO wie auch zu dem jüngst ergangenen Düsseldorfer Urteil in einem der Musterprozesse der Bundesarbeitsgemeinschaft Osteopathie (BAO). Keiner, der zwar eigentlich wichtig ist, aber nicht gefragt wurde, möge es krumm nehmen – irgendwo muss es immer eine Grenze geben. Es kann auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit geben. Wir wollen nur den Anstoß geben, damit wir wieder zu einem respektvollen Miteinander zurückkehren können. Natürlich sind wir „Independent Thinkers”, aber wir sollten auch wieder eine „Brother– (und Sister–) hood” werden!

Die Herausgeber