Buchbesprechung
Irgendjemand lacht in mir
S. Ramos-Bulik
Aus dem Schizophrenen übersetzt von Susan Schmidt Berlin: Mensch & Buch, 2008; 2.,
überarb. u. verkürzte Auflage; 14,90 EUR ISBN 3-86664-187-7 / 978-3-86664-187-7
„Irgendjemand lacht (sozusagen zum zweiten Mal) in mir” ; das Buch von Sven Ramos-Bulik
und Susan Schmidt hat eine zweite Aufl age erfahren und zeigt ergänzend ab Seite 123
einige Bilder von Ramos. Der Autor nennt sich nach seinem kubanischen Vater Ramos,
nicht Sven – vielleicht weil Sven „junger Mann”, „ Junge” (Wikipedia) heißt, er sich
aber männlich fühlt, fühlen will(?). Ramos, das klingt anders als Sven, klingt nach
Abenteuer und wie Musik, Rumba, Habanera, Salsa. So wie das klingt, scheint er sich
auf Seite 129 zu präsentieren: Ein Mann, ein ganzer Kerl, „groß und kräftig” (S. 105).
„Was kostet die Welt? Ich stehe mitten drin!”, so mutet mich das Bild auf den ersten
Blick an.
Etwas länger hin gesehen, kippt der Eindruck. Er steht, obwohl breitbeinig, nicht
standfest, das linke Bein kaum mit Bodenhaftung; die Schultern nicht so selbstbewusst
wie sie breit sind, sondern eher zweifelnd. Und dann das Gesicht in dem leicht eingezogenen,
leicht nach links geneigten, leicht vorgebeugten Kopf – doch der etwas großgeratene
Junge? … ein Knabengesicht, faltenlos, weich mit androgynen (S. 71) Zügen. Ich interpretiere
das in das Bild hinein, weil ich den Text kenne. Im Text stehen die vermeintliche
Großspurigkeit und das verängstigte Kerlchen, der maskuline Typ, der Macho, und sein
Alter Ego, Margarita, die Fee – die Hexe, unverbunden, unversöhnlich nebeneinander.
Sie sind getrennt, mindestens zwei in einer Person, entweder – oder, nicht weich ineinander
überfließend wie im optischen Eindruck, den mir das Bild vermittelt.
Mal ist Ramos Ramos, mal Christus, mal personifi zierte Angst, mal Außerirdischer,
und immer wieder, fast auf jeder Seite, Margarita, seine Beraterin, die ihn aufbaut
und stützt; sein Teufel (S. 70), die ihn für schwul erklärt, was ihm absolut nicht
passt, die ihn beherrscht, verlacht, mit ihm macht, was sie, nicht was er will. In
diesen Rissen, Gletscherspalten gleich, kilometertief und so gut getarnt, dass er
immer wieder, unentrinnbar, in sie hinein stolpert, lacht irgendjemand, mal leise,
kaum hörbar, mal laut und bodenlos, grundlos, vom Echo verzerrt bis zum Schrei, den
man eher in den Schluchten zwischen den Zeilen als in den Zeilen selbst hört.
Für den Leser ist es nicht leicht, sich in dem Kaleidoskop der um und um geschüttelten
Scherben einer Person, diesen Persönlichkeitssplittern zurechtzufi nden. Und genau
das ist es, was diese Schizophrenie kennzeichnet. Wer dieses Chaos erahnen will, sich
zutraut, lese das Buch von Ramos, der die Krankheit ertragen, erlitten hat, der an
ihr bis zu Suizidabsichten fast zerbrochen ist. Ein authentisches und deshalb kein
gefälliges Buch; kein Roman, keine Erzählung, sondern von Susan Schmidt und Ramos
ausgewählte Tagebuchnotizen, Erinnerungsfragmente.
Henning Hallwachs, Hamburg
1 Siehe Anlage 1 zu dieser Empfehlung unter: www.dvfr.de (Stellungnahmen).
2 Zur Zusammensetzung des Ausschusses siehe unter:www.dvfr.de
(Fachausschüsse).
3 „Dabei sichern die Rehabilitationsträger durchgehend das Verfahren entsprechend dem
jeweiligen Bedarf und gewährleisten, dass die wirksame und wirtschaftliche Ausführung
der Leistungen nach gleichen Maßstäben und Grundsätzen erfolgt” (§ 10 Abs. 1 SGB IX).
4 So sollen „Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden”
(§ 12 Abs. 1 Ziffer 4 SGB IX).
5 5 ICF-Praxisleitfaden 1: „Träger übergreifender Leitfaden für die praktische Anwendung
der ICF beim Zugang zur Rehabilitation” und ICF-Praxisleitfaden 2: „Trägerübergreifende
Informationen und Anregungen für die praktische Nutzung der ICF in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen”,
verfügbar unter: www.bar-frankfurt.de.
6 Siehe Anlage 2 zu dieser Empfehlung unter: www.dvfr.de (Stellungnahmen).
7 Die Kapitel stellen die erste Ebene der Klassifi kation dar, Buchstabe und dreistellige
Ziff ern die zweite Ebene (Kurzversion), Buchstabe und vierbzw. f ünfstellige Ziff
ern die dritte bzw. vierte Ebene (Vollversion).
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