ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118(6): 324
DOI: 10.1055/s-0029-1225974
Colloquium

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Digitale Zahnheilkunde - Impressive impressions

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Publication Date:
29 June 2009 (online)

 

Gestochen scharfe Farbvideodaten und digitaler Workflow lösen den herkömmlichen Silikon-Abdruck ab. Die Betatestphase des Oralscanners Blueline 3D 1 mit Zahnarzt Dr. Alois Maier und Prof. Horst Koinig MDT ist Ende Mai abgeschlossen - und damit ein weiterer Meilenstein innerhalb der digitalen Zahnheilkunde.

Er ist das Ergebnis intensiver Forschungsbemühungen und steht für eine neue Ära in der Zahnmedizin: Der Oralscanner Blueline 3D 1 - ein Hochgeschwindigkeitsscanner made in Austria, der einen Paradigmenwechsel in der Herstellung von Abformungen einläutet.

Dass die Digitalisierung auch in der Zahnheilkunde unaufhaltsam voranschreitet, steht außer Frage: CAD/CAM-Verfahren und Mass Customization mittels Rapid-Technologien gehören schon demnächst zum Standard. Und auch wenn anfangs zahlreiche kritische Stimmen vor voreiliger Euphorie mahnten, so sind die Vorteile hinsichtlich Passgenauigkeit, Wirtschaftlichkeit und Benutzerfreundlichkeit signifikant und nicht mehr von der Hand zu weisen.

Der in Kooperation mit dem Forschungszentrum Seibersdorf (ARC) entwickelte Oralscanner ist ein komplexes optisches Messsystem, das den Zahnstatus mit 60 Bildern pro Sekunde scannt.

Die Abformung erfolgt mit einem leichten und frei im Mund beweglichen Handstück mit integrierter Optik. Ein automatischer "Verwackelungsschutz" sorgt für gestochen scharfe Bilder; der auf Körpertemperatur erwärmte Kamerakopf verhindert ein Anlaufen der Optik. Innerhalb von Millisekunden produziert die Kamera Echtzeit-Farbvideobilder in der Auflösung von 640 x 480 Bildpunkten. Der Fokusbereich des Scanners liegt zwischen 0,5 und 3,5 cm. Der Scanner kann auch als reine Oralkamera verwendet werden.

Ungenauigkeiten, die beim bisherigen Matchen von wenigen Einzelaufnahmen auftraten, sind kein Thema mehr: Der Scanner liefert 150 000-200 000 3-D-Messwerte pro Einzelmessung. Während die hochwertigsten Silikon-Abdruckmaterialien Details bis zu 25 µm wiedergeben, ist der Scanner bis auf 15 µm genau.

Gescannt werden können der gesamte Kiefer, Gegenkiefer und Bisssplint. Die Scanzeit für einen Ober- oder Unterkiefer beträgt durchschnittlich 5 min. Ein virtueller Horizont erleichtert dem Behandler die Orientierung. Eine Oberflächenbehandlung der Zähne mit Titandioxid-Pulver oder Magnesiumstereat ist nicht mehr notwendig: Dadurch werden die durch Puderapplikation möglichen Messfehler bei der Digitalisierung vermieden.

Die Qualitätskontrolle erfolgt ebenfalls direkt am Bildschirm: Lücken oder Fehler im Scan können auf diese Weise umgehend entdeckt und bei Bedarf selektiv nachgebessert werden, wobei die zusätzlichen Daten in den bereits vorhandenen Datensatz einberechnet werden.

Durch Berühren des Monitors kann der Arzt das virtuelle Modell zu Demonstrationszwecken vergrößern oder verschieben. Zugleich können Kiefersituation, Gewebe und Präparation treffsicherer beurteilt werden. Die bereits in der Zahnarztpraxis digitalisierten 3-D-Farbvideodaten werden anschließend für eine Weiterverarbeitung im CAD/CAM-Verfahren (chairside oder im adäquat ausgestatteten Fräs-Zentrum) mittels spezieller Softwarelösung in STL-Files umgewandelt.

Der digitale Workflow erleichtert und verkürzt die Arbeit auch im Labor. Da er über exakt dieselben Daten verfügt wie der Zahnarzt, kann der Zahntechniker die Kiefersituation des Patienten exakt nachvollziehen. Einige aufwendige Zwischenschritte, wie das Ausgießen der Abformung, Sockeln und Stiften oder das physische Aussägen der Stümpfe, entfallen vollständig, da nun am virtuellen Modell gearbeitet wird. Andere Arbeiten werden aufgrund der hohen Präzision der Daten wesentlich erleichtert: Am 3-D-Modell können virtuelle Sägeschnitte gesetzt und Präparationsränder an den Stümpfen festgelegt werden. Die Abformung kann in 2D oder 3D neuerlich überprüft werden. Eine leistungsfähige Hard- und Software ist Voraussetzung, die Herkunft aber spielt keine Rolle: Bei dem Scanner handelt es sich um ein offenes System, das mit Endgeräten jeder beliebigen Marke kompatibel ist - kostspielige Neuanschaffungen sind nicht notwendig.

Das Ziel ist eine bessere Passgenauigkeit der prothetischen Versorgung bei verkürzter Fertigungszeit, höherer Produktivität und mittelfristig geringerem finanziellen Aufwand. Weitere Vorteile ergeben sich aus der Tatsache, dass die Daten bequem dokumentiert werden können, wertvolle Dienste für die Forensik leisten, "Vorher-Nachher"-Vergleiche ermöglichen ebenso wie rasche second Opinions.

Der Markteintritt des Scanners ist für das 2. Halbjahr 2009 geplant; Ende Mai ist die Betatestphase abgeschlossen.

Vom Design bis zur Chairside-Keramikrestauration kann nach Bedarf und Ausstattung nun "alles in einer Sitzung" erledigt werden. Der Scanner leistet künftig auch im Bereich von Implantologie und Suprastrukturen wertvolle Dienste: Die digitalen Abdruckdaten können mit den computernavigierten Implantationsdaten gematcht werden, sodass der Patient mittels CAD/CAM-Verfahren schon nach wenigen Stunden die Praxis mit einer provisorischen Sofortversorgung verlässt.

Hinein in eine abdruckfreie Zukunft? Die Erfahrungen aus der Betatestphase stimmen in jedem Fall hoffnungsfroh.

Nach einer Pressemitteilung der

Motion5 GmbH, Pforzheim

Email: Dietmar.Krampe@Motion5.de

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