Dialyse aktuell 2009; 13(5): 223
DOI: 10.1055/s-0029-1225944
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gleiches Recht für alle?

Birgit Kleinlein
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Publication Date:
17 June 2009 (online)

Die Menschenrechte gelten für jeden gleichermaßen. Soviel ist klar. Wirklich? Zu den Menschenrechten gehört laut Artikel 25 auch das Recht auf ärztliche Versorgung. Im Großen und Ganzen ist die Gesundheitsversorgung in Deutschland natürlich sehr gut, doch wenn man einmal genauer hinsieht, steht diese nicht jedem Patienten in gleichem Umfang zur Verfügung. Zu den eindeutig benachteiligten Patientengruppen gehören beispielsweise behinderte Menschen.

Dieser Meinung ist auch die Bundesärztekammer, die in einer Pressemitteilung im Rahmen des 112. Deutschen Ärztetages in Mainz eine bedarfsgerechte Versorgung von behinderten Menschen anmahnt. Das Thema scheint – endlich – etwas mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, auch der Internistenkongress im April in Wiesbaden hat das Thema Behindertenmedizin aufgegriffen. Zum 1. Mal gab es ein Symposium, das sich mit den spezifischen Anforderungen und Schwierigkeiten in der Versorgung behinderter Menschen – auch von Dialysepatienten – auseinandersetzte.

Während die Zahl der behinderten Menschen laut Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2001 bis 2007 um mehr als 200?000 auf rund 6,9 Millionen zugenommen hat, hinkt die medizinische Versorgung dieser Entwicklung noch hinterher. Laut Dr. Ulrich Pfaff vom Zentrum für Behindertenmedizin in Bethel macht die Behandlung behinderter Patienten Spaß – sie ist aber zweifelsohne aufwendiger als die Behandlung nicht behinderter Patienten. Da Behinderte sich häufig nicht oder nur schwer artikulieren können, erfordert die Kommunikation zwischen Arzt und Patient besonders viel Einfühlungsvermögen: Denn wenn der Patient nicht ausdrücken kann, wo es weh tut, fängt das Rätselraten an. Selbst einfache Untersuchungen sind oft nur mittels Sedierung möglich. Eine wichtige Stütze für das medizinische Personal ist in solchen Situationen die Hilfe von Eltern oder Betreuern.

Von den behandelnden Ärzten und Pflegekräften erfordert die Behandlung behinderter Menschen die Bereitschaft, sich intensiv mit den Patienten auseinanderzusetzen. Wichtig sind dabei vor allem Ruhe und Gelassenheit. Gar nicht so einfach im hektischen Berufsalltag. Stellen Sie sich vor, Sie müssen einem schwer geistig behinderten Menschen einen Dialysezugang legen. Der Patient realisiert gar nicht, dass Sie ihm helfen wollen und merkt nur, dass es weh tut. Was tun, wenn behinderte Patienten den Grund des Arztbesuches gar nicht verstehen?

Doch eine Dialysebehandlung deshalb gar nicht erst in Erwägung ziehen, wie so viele Dialysezentren es laut einem Beitrag aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. April 2009 machen? Nein, so einfach macht es sich Dr. Rainer Valentin aus dem Evangelischen Krankenhaus Bielefeld nicht. Ob eine Dialyse bei schwer geistig behinderten Patienten Lebensqualität bringe oder doch mehr Quälerei bedeute, konnte er in seinem Vortrag zum Sinn oder Unsinn von Dialysebehandlungen nicht pauschal beantworten. Doch seine Erfahrung zeige, dass sich Mühen dieser nicht gerade komplikationsarmen Behandlung durchaus lohnen können.

Neben einer gelassenen, zugewandten und fürsorglichen Grundhaltung ist gut ausgebildetes medizinisches Personal und eine bessere Versorgungsstruktur für Behinderte unerlässlich, damit eines wirklich in Erfüllung gehen kann: gleiche medizinische Versorgung für alle. Selbstverständlich ist das Recht auf eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung nämlich überhaupt nicht. Daher macht auch die UN–Behindertenkonvention, die im März dieses Jahres in Deutschland in Kraft getreten ist, durchaus Sinn. Lesen Sie dazu mehr auf Seite 238.

Birgit Kleinlein

Stuttgart

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