Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - P76
DOI: 10.1055/s-0029-1225150

Die zweizeitige Mehrlingsgeburt – Eine monozentrische retrospektive Kohortenstudie prognostisch relevanter Parameter

I Rühl 1, M Leubner 1, A Flemmer 2, A Schulze 2, K Friese 1, U Hasbargen 1
  • 1Perinatalzentrum Großhadern – Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Ludwig Maximilians Universität München/Deutschland
  • 2Neonatologie der der Kinderklinik am Perinatalzentrum der LMU-München, Großhadern

Fragestellung: Die Inzidenz von Mehrlingsschwangerschaften ist mit vermehrtem Einsatz von reproduktionsmedizinischen Verfahren angestiegen. Kommt es im Rahmen einer Mehrlingsschwangerschaft zur unaufhaltbaren Geburt eines Kindes, scheint in der frühen Frühgeburtlichkeit (<28. SSW) die Prolongation der Schwangerschaft sinnvoll. Es liegen nur unzureichende Erfahrungen vor, ob die Vorteile der gewonnenen Reife durch die maternalen und fetalen Risiken relativiert werden. Ziel der Studie war daher eine Untersuchung der zweizeitig entbundenen Mehrlinge im Vergleich zu gleichzeitig entbundenen. Methodik: Zwischen 08/2002 und 08/2007 wurden erfolgreiche zweizeitige Entbindungen bei 3 Zwillings- und 3 Drillingsschwangerschaften durchgeführt. Die Kinder wurden einer Kontrollgruppe aus Mehrlingsschwangerschaften mit entsprechender Gestationswoche gegenübergestellt. Es wurden prognostisch relevante Faktoren, wie bronchopulmonale Dysplasie (BPD), intracranielle Blutung (ICH) und Retinopathia praematorum (ROP) verglichen. Ergebnisse: Das mediane Gestationsalter der Erstgeborenen lag bei 23+4 SSW (22+5 bis 25+4) und bei 26+4 SSW in der Gruppe der Zweitgeborenen (25+2 bis 32+0). Es konnte eine mediane Prolongation von 15 Tagen (2 bis 63 Tage) erreicht werden. Alle acht Zweitgeborenen überlebten, zwei der sechs Erstgeborenen starben bei extremer Frühreife (23+0 und 23+2) kurz nach der Geburt. Eine höhergradige BPD hatten zwei der Erstgeborenen (50%), zwei der Zweitgeborenen (37,5%) und 17% der Kontrollgruppe. Eine ICH III° trat bei zwei Erstgeborenen (50%) auf, keines der Zweitgeborenen und 12,5% der Kontrollgruppe waren betroffen. Eine ROP bei Entlassung zeigte sich bei zwei (50%) der Erstgeborenen, bei zwei (33%) der Zweitgeborenen und bei acht (33%) Kindern der Kontrollgruppe. Bei den Müttern zeigte sich keine relevante Morbidität prä- oder postpartal.

Schlussfolgerung: Eine zweizeitige Entbindung ist nach sorgfältiger Abklärung des individuellen Risikoprofils eine geeignete Maßnahme um Morbidität und Mortalität frühgeborener Mehrlinge zu reduzieren. Voraussetzung ist die sorgfältige Selektion geeigneter Patientinnen sowie eine interdisziplinäre Betreuung durch Neonatologen und Geburtsmediziner.