Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2009; 44(5): 348-356
DOI: 10.1055/s-0029-1224782
Fachwissen
Topthema: Muskelrelaxanzien
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ist neuromuskuläre Überwachung bei kurzwirkenden Muskelrelaxanzien noch erforderlich?

Short acting muscle relaxants: Is neuromuscular monitoring still necessary?Manfred Blobner
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Publikationsdatum:
13. Mai 2009 (online)

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Zusammenfassung

Muskelrelaxanzien ermöglichen eine rasche und atraumatische endotracheale Intubation und verbessern die Operationsbedingungen. Andererseits sind neuromuskuläre Restblockaden nach Allgemeinanästhesien eine wesentliche Komplikation, von der ca. 30 % aller relaxierten Patienten bei Eintreffen im Aufwachraum noch betroffen sind. Sie erhöhen zumindest dann, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden, das Risiko für Muskelschwäche und Hypoventilation sowie für Schluckstörungen und Aspiration. So können Restblockaden ursächlich für postoperative Atemwegserkrankungen, im schlimmsten Fall Pneumonien, sein.

Das neuromuskuläre Monitoring zeigt zuverlässig das Ausmaß der neuromuskulären Blockade zu jedem Zeitpunkt einer Allgemeinanästhesie an. Zusammen mit gut steuerbaren und reversierbaren Muskelrelaxanzien gelingt es so, den Nutzen der Therapie mit Muskelrelaxanzien zu verwirklichen ohne die Nachteile befürchten zu müssen. Sugammadex, der neue Enkapsulator steroidaler Muskelrelaxanzien, ist in diesem Zusammenhang ein weiterer wertvoller Baustein, kann jedoch das neuromuskuläre Monitoring nicht ersetzen.

Das quantitative neuromuskuläre Monitoring ist das einzige Verfahren, das dem Anästhesisten neuromuskuläre Restblockaden beim narkotisierten Patienten sicher zu erkennen hilft, um ihn, unter der Voraussetzung, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, vor möglicherweise lebensbedrohlichen Schäden zu schützen.

Abtract

Neuromuscular blocking agents are used to facilitate intubation and to establish muscle paralysis during surgery. However, postoperative residual blocks are a significant complication following the use of neuromuscular blocking agents with an incidence of approximately 30 % at arrival in the post operative care unit. If they are not identified and adequately treated, residual neuromuscular blocks would increase the risk for muscle fatigue, hypoventilation, swallowing disorders, and aspiration. These complications may result in postoperative pulmonary disease.

Therefore, monitoring of neuromuscular block is essential not only to detect residual paralysis postoperatively but also to maintain adequate muscle paralysis for surgery. Moreover, the response of individual patients to a particular drug can be variable and needs to be determined for the individual patient in a clinical situation. Sugammadex, the newly developed steroidal muscle relaxant encapsulator, is another important step to optimize treatment with neuromuscular blocking agents but will not replace neuromuscular monitoring.

Since qualitative assessment has been shown to be insufficient to validly measure neuromuscular block in the anesthetized patient, it should be monitored quantitatively. Only using this technique and treating residual blocks where required, life threatening complications can certainly be avoided.

Kernaussagen

  1. Extreme Schwankungen in der Wirkung von Muskelrelaxanzien sind im Einzelfall ohne ein quantitatives Monitoring nicht zu erkennen. Ohne Monitoring droht die zu frühe Extubation und damit die „Entsicherung” des Atemweges.

  2. Trotz der einfachen Anwendung wird die Empfehlung, neuromuskuläre Blockaden routinemäßig mit einem neuromuskulären Monitoring zu überwachen, weitgehend missachtet.

  3. Für die lang wirkenden Muskelrelaxanzien wurden Restblockaden zwischen 20  % und  % berichtet, für die kurz und mittellang wirkenden Substanzen zwischen 20  % und 60  %.

  4. Das Risiko respiratorischer Komplikationen im Aufwachraum nach Gabe von Muskelrelaxanzien liegt zwischen 1  % und 13  %.

  5. Das neuromuskuläre Monitoring ist geeignet, neuromuskuläre Restblockaden und seine Komplikationen zu vermeiden.

  6. Klinische Zeichen sind nicht geeignet, das Ausmaß der neuromuskulären Erholung beim sedierten oder narkotisierten Patienten zu beurteilen – also um zu entscheiden, ob extubiert werden kann.

  7. Während das intraoperative quantitative Monitoring weitgehend alle respiratorischen Komplikation auf dem Weg zum und im Aufwachraum verhindert, gelingt das mit dem taktilen Monitoring nicht.

  8. Mit Sugammadex können neuromuskuläre Blockaden mit Rocuronium oder Vecuronium mit 95  % iger Wahrscheinlichkeit innerhalb von 5 min reversiert werden. Da die Dosisempfehlungen für Sugammadex vom neuromuskulären Monitoring abhängen, kann jedoch nicht auf ein Monitoring verzichtet werden.

Literaturverzeichnis

Prof. Dr. med. Manfred Blobner

eMail: blobner@lrz.tum.de