Zusammenfassung
Ziel: Mit einer Literaturrecherche sollte geprüft werden, ob das Saugen an einem Schnuller
Auswirkungen auf die Okklusion hat, und ob diese Auswirkungen vergleichbar sind mit
denen, die beim Daumenlutschen entstehen. Gleichzeitig wurde die Relevanz der Dauer
und Intensität des Saugens sowie die Form des Schnullers untersucht. Methoden: Die Daten wurden im Rahmen einer Literaturrecherche in der Datenbank PubMed (Januar
1950 bis Dezember 2008) erhoben. Die Suchstrategie schloss Artikel in englischer und
in deutscher Sprache ein. Gesucht wurde nach den Begriffen „Schnuller“ („pacifier“,
„soother“, „dummy“), „Daumen“ („thumb“) und „Finger“ („digit“) in Verbindung mit
„nicht ernährungsbezogenes Saugen“ („non-nutritive sucking“), „Dysgnathie“ („malocclusion“)
und „Auswirkungen auf Zähne“ („dental effects“). Eine vergleichbare Recherche wurde
in der Datenbank der International Children’s Medical Research Society (ICMRS) durchgeführt,
wobei speziell nach Publikationen gesucht wurde, die entweder nicht in PubMed aufgenommen
oder die vor 1950 veröffentlicht worden waren. Insgesamt wurden 122 Artikel und Beiträge
in die Auswertung aufgenommen. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Bei der Recherche fiel auf, dass die Qualität der Forschung in diesem Fachbereich
verglichen mit anderen Forschungsgebieten relativ niedrig war, wodurch Schlussfolgerungen
auf mögliche Ursachen von Okklusionsveränderungen eingeschränkt waren. Es liegen
jedoch eindeutige Hinweise darauf vor, dass Lutsch- und Saughabits (Daumenlutschen,
Saugen am Schnuller und sogar das Saugen am Flaschensauger) ein Risiko für die Okklusion
darstellen. „Eins-zu-eins“-Vergleiche sind jedoch schwierig, da diese Habits unterschiedlich
lange ausgeführt werden und die zahnmedizinische Untersuchung nach Beenden des Habits
nach unterschiedlichen Zeitspannen erfolgte. Bei der extrem widersprüchlichen Informationslage
ist es nicht möglich, generelle Aussagen zum Ausmaß der Auswirkungen von Daumenlutschen
und Saugen am Schnuller zu treffen. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sich
unterschiedliche Formen des nicht ernährungsbezogenen Saugens auch unterschiedlich
auf die Okklusion auswirken. So scheint bei Kindern, die am Schnuller saugen, ein
seitlicher Kreuzbiss häufiger aufzutreten als bei Kindern, die am Daumen lutschen.
Demgegenüber sind ein frontal offener Biss und eine vergrößerte sagittale Frontzahnstufe
bei Daumenlutschern häufiger anzutreffen. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass
die meisten Schnullerhabits zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr spontan aufgegeben
werden, also erheblich früher als das Daumenlutschen. Außerdem belegen die Untersuchungsergebnisse
eindeutig die Tendenz, dass sich eine Dysgnathie spontan verbessert oder sogar von
selbst korrigiert, je früher ein Lutsch- oder Saughabit aufgegeben wird. Die meisten
Wissenschaftler und Zahnärzte empfehlen, im Säuglings- und Kleinkindalter einen Schnuller
zu verwenden, um der Entstehung eines Lutschhabits vorzubeugen. Im Hinblick darauf,
dass auch ein länger andauerndes Saugen am Schnuller zu Dysgnathien führen kann, die
bis ins Wechselgebiss Bestand haben, sollte ein Schnullerhabit jedoch spätestens im
zweiten Lebensjahr beendet werden. In der Literatur finden sich nur wenige Hinweise
darauf, dass „orthodontisch geformte“ Schnuller in irgendeiner Weise den „normal
geformten“ Schnullern überlegen wären. Möglicherweise sind jedoch die Untersuchungsmethoden
in diesem Bereich noch nicht detailliert genug, um Unterschiede oder Vorteile herauszufinden.
Abstract
Objective: A literature review was carried out to ascertain whether pacifier use affects the
occlusion; to compare any effect with thumb sucking; to consider whether any effect
is dependent on duration of pacifier use, intensity of use or on the design of the
pacifier. Methods: Searches were made of the Pubmed database (January 1950 to December 2008) to collect
data on pacifier use and its association with dental effects. The search strategy
included published articles in English and German using the terms: “pacifier”, “soother”,
“dummy”, “thumb” and “digit” with “non-nutritive sucking”, “malocclusion”, and “dental
effects”. Similar searches were carried out on the International Children’s Medical
Research Society (ICMRS) database, particularly for articles not included in Pubmed
or pre-1950. A total of 122 articles and papers were selected for initial inclusion
in this review. Results and conclusions: In general the quality of research in this area was rather low when compared with
other fields of research, hampering any conclusion as to causation. However there
is convincing evidence that sucking habits in general (digit-sucking, pacifier-sucking
and even the use of a bottle nipple) pose a risk to the occlusion. “Like-for-like”
comparisons are difficult, because of the varying duration of the habits and the length
of time of the dental examination after cessation of the habit. With the extremely
conflicting evidence, it would be unsafe to isolate the overall severity of effects
caused by digit- and pacifier-sucking. However, there is evidence to suggest that
the manifestation on the occlusion of each type of non-nutritive sucking (NNS) is
somewhat different. The prevalence of posterior crossbite appears to be higher among
pacifier users than digit suckers but digit habits result in a greater prevalence
of anterior openbite and greater overjet. There is strong evidence that most pacifier
habits are spontaneously shed between ages 2–4 years, and certainly earlier than digit
sucking. In addition, the evidence points clearly to the fact that the earlier either
habit is discontinued, the greater the likelihood that some aspects of malocclusion,
if present, will improve or self-correct without further intervention. Therefore the
majority of researchers and dentists recommend the use of a pacifier in infancy and
early childhood as preferable to the development of a digit-sucking habit. However
there is also evidence that a long-term pacifier habit can cause malocclusions that
persist into the mixed dentition. Therefore cessation of a pacifier habit should commence
no later than 2 years of age. There is little evidence in the literature to suggest
that “orthodontic” pacifiers have any statistically significant benefit over “normal”
pacifiers, perhaps because the techniques used to study such pacifiers and their effect
on the dentition are, to date, not powerful enough to detect any differences or indeed
benefits.
Schlüsselwörter
Saugen am Schnuller - Daumenlutschen - Dysgnathien
Key words
pacifier use - digit sucking - malocclusions