Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_271
DOI: 10.1055/s-0029-1222075

Insulindosierung bei Diabetespatienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK): Möglichkeit eines iatrogenen Hyperinsulinismus?

U Fischer 1, P Heinke 2, A Dunger 3, E Ahrendt 1, M Grunze 1
  • 1Dünenwald-Klinik, Trassenheide, Germany
  • 2Institut für Diabetes 'Gerhardt Katsch', Karlsburg, Germany
  • 3DIAKO Ev. Krankenhaus, Bremen, Germany

Hyperinsulinismus ist als akzidentelle Komponente des metabolischen Syndroms ein potenzieller Risikofaktor für vaskuläre Komplikationen.

Fragestellung: unterscheidet sich bei insulinbehandelten Diabetespatienten (IDDM) in einer Reha-Klinik mit kardiologisch-pulmologisch-orthopädischem Profil die Insulindosierung (ID) unter Berücksichtigung der Blutglukose (BG)kontrolle bei Patienten (Pat.) mit vs. ohne KHK?

Methodik: retrospektive Erhebung bei allen diabetologisch-konsiliarisch mitbehandelten IDDM, welche 2005–2008 eine stat. Reha-Maßnahme in Anspruch genommen hatten. Bei kontinuierlicher Aneltung nahmen sie ihr BG-Management eigenständig wahr. Verglichen wurden mittels SPSS 113 KHK-Pat. (nach kardiologischer Intervention wegen Myokardinfarkt) vs. 103 Kontrollpat. (K) mit anderen Reha-Indikationen (pulmologisch, psychosomatisch oder postoperativ-orthopädisch). CSII-Therapie, terminale Nieren-insuffizienz oder Insulinresistenz (Tagesdosis >200 IE) waren Ausschlusskriterien. KHK und K unterschieden sich nicht (p>0,05) nach Alter (62±SD10 vs. 62±11J), Geschlechtsverteilung (73m/40 w vs. 59m/44 w), Dauer von Diabetes (15±11 vs. 14±10J) und Insulintherapie (8±9 vs. 7±7J), Häufigkeiten von Adipositas (54 vs. 56%), Steroid- (4 vs. 6%), Digitalis- (5 vs. 9%) oder Metformintherapie (27 vs. 27%) sowie Schwerpunktpaxis-(Mit)Behandlung (47 vs. 44%).

Ergebnisse: Bei besserer Langzeitkontrolle zur Anreise (HbA1c KHK 7,2±1,1 vs. K 7,8±1,3%, p<0,001), aber identisch unzureichender mittelfristiger Kompensation (Fruktosamin 288±41 vs. 292±65µmol/l, n.s.), waren die KHK-Pat. durchschnittlich auf höhere ID eingestellt (0,77±0,37 vs. 0,63±0,45 IE/kg/d, p<0,02). Nach Optimierung des antidiabetischen Regimes über bis zu 3 Wo erreichten beide Gruppen gleiche BG-Kontrolle: bei Abreise Fruktosamin 263±37 vs. 259±50µmol/l, präprandiale MBG während der letzten 3 Tage 6,8±1,0 vs. 7,0±1,2, MBG-Tagnachtprofil einschl. postprandialer Werte 7,4±1,0 vs. 7,4±1,1mmol/l, n.s.). Während dazu bei KHK signifikant weniger ID erforderlich war (ID-Abreise minus ID-Anreise -0,12±0,25 IE/kg/d), musste bei K durchschnittlich höher dosiert werden (Differenz +0,11±0,32 IE/kg/d, p<0,001). Der Anteil Verzögerungsinsulin an der Tagesdosis hatte sich bei KHK (36±23 vs. 43±15%, p<0,02), nicht aber bei K (48±26 vs. 48±20%), erhöht. Hypoglykämie-Inzidenz, Ernährungsgewohnheiten und körperliche Aktivitäten unterschieden sich nicht. Die ID-Unterschiede KHK vs. K erschienen stärker bei höheren BMI, höherem HbA1c oder bei Typ-1 vs. Typ-2 Diabetes.

Schlussfolgerungen: Die für eine suffiziente BG-Kontrolle erforderlichen ID sind bei KHK, nicht aber bei K, häufig geringer als die aus der ambulanten Behandlung mitgebrachten Empfehlungen. Es kann vermutet werden, dass sich bei IDDM unnötig hohe ID über einen vermeidbaren Hyperinsulinismus nachteilig in der Pathogenese kardiovaskulärer Komplikationen auswirken. Zur Bestätigung sind prospektive Langzeitbeobachtungen erforderlich.