Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_237
DOI: 10.1055/s-0029-1222041

Beeinflusst das Alter und das Geschlecht des Arztes die Behandlung von Typ 2-Diabetikern?

B Hagen 1, L Altenhofen 1
  • 1Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Köln, Germany

Fragestellung: In einer schwedischen Studie erreichten weibliche Ärzte bei Patienten mit Diabetes mellitus häufiger den Blutdruckzielwert <140/90mmHg als männliche Ärzte (Journath et al., 2008). Lässt sich ein solcher Befund auch für die Patienten im Disease Management Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 in der Region Nordrhein nachweisen? Welche Rolle spielt dabei zusätzlich das Alter des Arztes?

Methodik: Analysiert wurde, inwieweit sich

(a) die Verordnungshäufigkeiten,

(b) die Anzahl geschulter sowie überwiesener Patienten,

(c) das Erreichen eines systolischen Blutdrucks <130mmHg sowie

(d) das Erreichen der vertraglich definierten DMP-Qualitätsziele nach Alter und Geschlecht der teilnehmenden, ambulant tätigen Ärzte unterscheiden.

Aufgrund der großen Fallzahlen erfolgten alle Auswertungen deskriptiv. Das Alter der Ärzte wurde in drei Gruppen unterteilt (<45, 45–59, >=60 Jahre).

Ergebnisse: Dokumentationen von insgesamt 202.673 Patienten konnten jeweils eindeutig einem von 2.583 Ärzten (davon 687=26,6% Frauen) zugeordnet werden. Alter, Erkrankungsdauer und Geschlecht der Patienten sind mit dem Alter und Geschlecht der behandelten Ärzte assoziiert: Ärzte unter 45 Jahren behandeln im Mittel etwas jüngere (67,7 vs. 68,4 Jahre) und weniger lang erkrankte Diabetiker (8,3 vs. 9,2J.) als 60-jährige oder ältere Ärzte, Ärztinnen häufiger weibliche Patienten (54,9 vs. 49,3%) als Ärzte. Keine auffälligen Differenzen bestehen bei den Antidiabetika-Verordnungen, jedoch verordnen Ärztinnen etwas häufiger Antihypertensiva (72,6 vs. 70,9%) und Statine (38 vs. 35%). Große Diskrepanzen sind bei der Häufigkeit empfohlener Schulungen und Überweisungen zu erkennen: Ärztinnen empfehlen häufiger als Ärzte eine Diabetes-Schulung (42,5 vs. 35,7%) und überweisen die Patienten häufiger zur diabetologischen Schwerpunktpraxis (11,8 vs. 9,1%). Einen systolischen Blutdruck <130mmHg weisen häufiger Patienten auf, die von Frauen (32,3 vs. 29,7%) bzw. jüngeren Ärzten (31,3 vs. 28,8%) behandelt werden. Im Hinblick auf das Erreichen der DMP-Qualitätsziele findet sich der einzige konträre Befund: ihren individuellen HbA1c-Zielwert erreichen häufiger Diabetiker, die von männlichen Ärzten behandelt werden (51,1 vs. 47,5%).

Schlussfolgerungen: Tendenziell existiert ein Selbstselektionsprozess bei der Einschreibung von Patienten, d.h. jüngere Ärzte behandeln eher jüngere Typ 2-Diabetiker und Ärztinnen eher weibliche Patienten. Während der Blutdruckzielwert öfter von weiblichen Ärzten erreicht wird, gelingt dies für den HbA1c öfter den männlichen. Systematisch häufiger erfolgen dagegen bei weiblichen Ärzten Schulungen und Überweisungen der Patienten. Diese Ergebnisse werfen sowohl hinsichtlich der Gestaltung von Leitlinien wie von DMP-Qualitätszielen die Frage auf, ob diese Richtlinien von allen behandelnden Ärzten gleichermaßen umgesetzt werden können.