Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - FV_44
DOI: 10.1055/s-0029-1221840

Diabetesdiagnose bei Kindern: Beeinträchtigung der kindlichen Lebensqualität und affektive Anpassungsstörungen ihrer Mütter zu Beginn der Paediatric ONSET-Studie

K Lange 1, R Coutant 2, T Danne 3, T Kapellen 4, E Pankowska 5, B Rami 6, B Aschemeier 3, S Bläsig 3, R Hartmann 3, N Krug 1, E Marquardt 3, K Walte 3, O Kordonouri 3
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Psychologie, Hannover, Germany
  • 2Centre Hospitalier Universitaire, Département de Pédiatrie, Angers, France
  • 3Kinderkrankenhaus auf der Bult, Zentrum für Kinderendokrinologie und -diabetologie, Hannover, Germany
  • 4Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Leipzig, Germany
  • 5Medical University of Warsaw, Department of Pediatric Diabetology and Birth Defects, Warsaw, Poland
  • 6Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, Austria

Hintergrund: Die Diabetesdiagnose bei einem Kind stellt einen tief greifenden Einschnitt in das Leben der Familien dar. Die akuten psychischen Folgen der Diabetesdiagnose für Kinder und ihre Mütter sowie deren Determinanten sollen im Verlauf eines Jahres nach Diabetesmanifestation erfasst werden. Die Daten werden im Rahmen der Paediatric ONSET-Studie zum Einsatz der sensor-gestützten Insulinpumpentherapie erhoben. Die psychologische Situation direkt nach Manifestation wird dargestellt.

Methodik: In die prospektive internationale multizentrische randomisierte klinische ONSET -Studie wurden 160 Kinder (1 bis 16 Jahre) bei Diabetesdiagnose aufgenommen (Alter: 8,7±4,4J.; 47,5% Mädchen). Das psychische Befinden der Mütter bzw. anderer primärer Bezugspersonen des Kindes wurde wenige Tage nach Diagnose mit dem WHO-5 (Bech 2004), einem Screening-Instrument für affektive Störungen, erhoben. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (QoL) der Kinder wurde mit dem KIDSCREEN-27 (Ravens-Sieberer et al. 2005) und zusätzlich aus Sicht der Eltern (KIDSCREEN-27-proxy) erfasst.

Ergebnisse: Der mittlere Gesamtscore der Mütter im WHO-5 (negativ – positiv: 0–100) betrug 46,3±22,8. Bei 55,3% der Mütter ergaben sich deutliche Hinweise auf eine Depression. Dabei waren Mütter der unter 6-Jährigen signifikant höher belastet (39,2±24) als die der 6- bis 11-Jährigen (52,1±21) oder der 12- bis 16-Jährigen (46,0±21) (p<0,05). Bei 69% der Mütter der Kinder <6J. gab es Hinweise auf eine affektive Störung. Die T-Werte der kindlichen QoL aus Sicht der Eltern betrugen für das körperliche Wohlbefinden 39,4±9,8, das psychische Befinden 40,1±10,7, die Elternbeziehung 49,9±9,5, die soziale Integration 44,7±13,9 und die Schule 46,3±12,7. Gegenüber den europäischen Normen des KIDSCREEN-27 war die QoL auf allen Dimension außer der Elternbeziehung signifikant beeinträchtigt (je p<0,01). Die Kinder (>7J.) selbst beurteilten ihre QoL vergleichbar zu ihren Eltern (T-Werte der 5 Dimensionen: 41,5±8,9; 44,4±10,7; 49,7±9,1; 45,3±11; 46,1±11). Auch sie waren vor allem im psychischen und physischen Befinden signifikant gegenüber der europäischen Normstichprobe beeinträchtigt. Zwischen den fünf beteiligten europäischen Diabeteszentren ergaben sich nach Adjustierung hinsichtlich des Alters der Kinder keine systematischen Unterschiede.

Schlussfolgerungen: Die hohe psychische Belastung der Mütter insbesondere mit jüngeren Kindern und die deutlich eingeschränkte physische und psychische Lebensqualität der Kinder unterstreichen die Notwendigkeit einer integrierten medizinischen und psychosozialen Diabetestherapie in der ersten Phase der Erkrankung. Psychotherapeutische Interventionen zur Überwindung einer Anpassungsstörung sollten für Mütter als Standard angeboten werden.

Diese Studie wurde durch eine Forschungsförderung der Medtronic Inc. unterstützt.