NOTARZT 2010; 26(1): 21-24
DOI: 10.1055/s-0029-1220409
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mithridatikum oder die neue Milch der Toxikologie?

F.  Martens1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publikationsdatum:
11. Februar 2010 (online)

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Einleitung

Der König von Pontos, Mithridates VI, im 1. Jahrhundert v. Chr., war zeitlebens besorgt, durch Giftbeibringung getötet zu werden und nahm daher allerlei vermeintliche Gegenmittel, die er zuvor an seinen Sklaven erprobt hatte. Nach der Überlieferung misslang daher sein Versuch, sich nach verlorenen Kriegen mit Gift umzubringen, sodass er sich schließlich von einem Getreuen auf der Burg von Pantikapaion erdolchen ließ. Sein „Antidotum Mithridaticum”, das eine Mischung von 36 oder 54 Bestandteilen enthalten haben soll, wurde als vermeintliches Gegengift bei Vergiftungen durch Schlangen, Spinnen oder Skorpione bis ins späte Mittelalter eingesetzt. Ähnliche Gegengiftmischungen des Mittelalters wurden auch Theriak genannt (nach Theriaca von Nicander von Kolophon 204–135 v. Chr.) und waren bis Ende des 19. Jahrhunderts noch in europäischen Arzneibüchern enthalten [1].

Alchemisten des Mittelalters, besonders Paracelsus, wird die Erkenntnis „similia similibus solvuntur” zugeschrieben (lat: „Ähnliches wird von Ähnlichem gelöst”). Polare Stoffe wie Kochsalz lösen sich in polaren Lösungsmitteln wie z. B. Wasser gut, in unpolaren wie z. B. Öl oder Hexan aber schlecht. Ungeladene Stoffe, wie viele Alkaloide und Medikamente sind in solchen unpolaren Lösungsmitteln wie z. B. Hexan hingegen gut löslich. Dieses Löslichkeitsverhalten wird durch den Kow-Wert (Oktanol-Wasser-Koeffizient), der das Verhältnis zwischen Lipophilie (Fettlöslichkeit) und Hydrophilie (Wasserlöslichkeit) einer Substanz angibt, beschrieben.

Der Oktanol-Wasser-Koeffizient wird größer als eins, wenn sich eine Substanz besser in Oktanol als in Wasser löst und kleiner als eins, wenn sie besser in Wasser löslich ist. Der Parameter hat Bedeutung in Pharmakologie und Toxikologie, z. B. zur Einschätzung des Umweltverhaltens organischer Stoffe oder der Verteilung chemischer Stoffe zwischen lipidhaltigen Zellmembranen und dem wässrigen Milieu des Zellinneren. In der Anästhesie ist die Regel von Meyer und Overton, die eine zunehmende Wirksamkeit von Narkosemitteln mit deren Fettlöslichkeit beschreibt, auch heute noch wohlbekannt [2] [3].

Literatur

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

eMail: frank.martens@charite.de