Z Geburtshilfe Neonatol 2009; 213 - A21
DOI: 10.1055/s-0029-1216321

HELLP-Syndrom

S Seeger 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Perinatalzentrum Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale), Deutschland

Das HELLP-Syndrom ist eine der schwersten und im Verlauf oft unkalkulierbaren Schwangerschaftskomplikationen. Die nahezu geniale Zusammenfassung der bereits lange zuvor bekannten Symptomtrias „Thrombozytopenie – Transaminasenerhöhung – Hämolyse“ als „Hilferuf der Schwangeren“ hat, wie wohl bei keinem anderen Synonym, zu einem hohen Bekanntheitsgrad geführt und löst Wachsamkeit bereits beim jüngsten Assistenzarzt aus. Etwa 1 von 300 Schwangeren ist betroffen. 9–14% der Präeklampsien gehen mit einem HELLP-Syndrom einher. Der Manifestationsgipfel liegt bei 32–34 SSW, jedoch darf nicht verkannt werden, dass 1/3 aller Erkrankungen erst postpartal auftreten. Die Thrombozytopenie ist mit <100.000 Gpt/l definiert. Sie ist Ausdruck einer mechanischen Zerstörung und eines Verbrauchs von Thrombozyten durch disseminierte intravasale Gerinnung (DIG). Durch segmentale Vasospasmen und fokale Nekrosen kommt es am „Zielorgan“ Leber zur Parenchymschädigung. Ausdruck hierfür ist die Erhöhung von ASAT (GOT) und ALAT (GPT). Die Hämolyse als Folge einer mechanisch-hypoxischen Erythrozytenschädigung wird durch den Abfall des Haptoglobins mit 95%-iger Sensitivität diagnostisch und prognostisch erfasst. Ein stark erniedrigter Haptoglobinwert ist nahezu beweisend für eine Hämolyse. Im Perinatalzentrum sollte eine 24h Verfügbarkeit als „Akutparameter“ gewährleistet sein.

Die klinische Symptomatik ist inhomogen, jedoch gelten Oberbauchbeschwerden infolge Spannung der Glissonkapsel als Leitsymptom (>90%). Eine Gestationshypertonie liegt in 80% vor, d.h. 20% der HELLP-Syndrome treten ohne weitere Präekalmpsiesymtomatik auf. Der Verlauf kann fluktuierend in Schüben oder rasant progredient sein. Schwerste Komplikationen wie DIG, vorzeitige Plazentalösung, akutes Nierenversagen sind häufig. Ein intensives Monitoring von Mutter und Kind sollte im Perinatalzentrum erfolgen.

Die ursprüngliche Lehrmeinung, dass bei manifestem HELLP-Syndrom eine sofortige Entbindung erfolgen muss, wird kontrovers zur Schwangerschaftsprolongation unter Intensivüberwachung diskutiert. Nach zunächst klinischen Einzelfallberichten konnte auch durch Studien seit Ende der 90er Jahre gezeigt werden, das durch Einsatz von Glucocorticoiden der klinische Progress eines HELLP-Syndroms aufgehalten bzw. verlangsamt werden kann (EL Ib-III). Bei extremer Unreife <28. SSW ist jeder Prolongationstag mit einer Abnahme der perinatalen Mortalität und Morbidität verbunden. Der Beweis eines signifikant besseren fetalen Outcomes steht jedoch lt. Cochrane-Analyse (2002) noch aus. Nach 32(34) v. SSW sollten in Abwägung von Vorteilen und Risiken keine Prolongationsversuche erfolgen. Der postpartale Einsatz von Clucocorticoiden zur Minderung der Thrombozytennadir und schnelleren „Laborwerte-Rekonvaleszenz“ ist ebenfalls nicht abschließend wissenschaftlich bewertet.